Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
sich Anja auf. Felix sah sich nach einem Schaufelersatz um, fand aber nichts. Anja kroch auf die Schneewehe zu, ihre Hand griff in den weißen Haufen. Felix hörte das sanfte Klatschen, als der Schnee auf das Wasser im Eimer traf.
K APITEL 80
Kir glitt ins Wasser. Es würde bald dunkel werden. Sie sah schon jetzt nur dunkle Schatten in der trüben, eiskalten See und konnte so gerade eben noch den Rumpf des Bootes ausmachen. Sie hatte den Anker geworfen, aber die Wellen warfen den kleinen Kahn hin und her.
Sie versuchte sich zu konzentrieren, während sie sich horizontal zur Strömung legte. Es galt, den richtigen Augenblick zu nutzen, und das musste unmittelbar nach ihrem Auftauchen geschehen. Ansonsten hätte sie verloren, ob sie das Heroin fand oder nicht. Sie musste diese eine Chance ergreifen, sie musste als Profi handeln und verdrängen, dass Blackie ihr Bruder war.
Entschlossen begann sie ihren Tauchgang und hatte kurz darauf den Meeresboden erreicht, wo Tang und Seegras wie überlange Fangarme in der Strömung schwebten. Aber sie sah kein Wrack und dachte, Fischer-Brian hätte sie alle an der Nase herumgeführt. Aber da tauchte plötzlich ein dunkler Schatten vor ihr auf, die Umrisse eines Bootes. Sie fühlte den Rumpf, auf dessen Oberfläche sich schon Muscheln und andere Lebewesen eingerichtet hatten. Ihre Finger ertasteten die fünf Buchstaben des Bootsnamens: MOLLY.
Das Boot war gekentert und lag auf dem Kopf, mit dem Ruderhaus auf dem Meeresgrund. Kir versuchte die Tür zu öffnen, aber sie ließ sich nicht bewegen. Eine dunkle Vorahnung ergriff sie. Da war jemand in der Kajüte. Sie hatte im Laufe der Zeit so viele Erfahrungen mit Wasserleichen gesammelt, dass sie vielleicht eine Art sechsten Sinn entwickelt hatte. Es fühlte sich an, als würde sie von leeren, toten Augen beobachtet werden, als würde jemand aus dem Jenseits rufen.
Sie zog ein zweites Mal am Türgriff, dieses Mal kräftiger, und sie öffnete sich und erzeugte einen Wasserwirbel. Sehen konnte sie kaum etwas, aber ihr Gefühl lenkte sie. Fischer-Brian war im Krankenhaus gestorben. Wie war er eigentlich an Land gekommen, nachdem er die Molly versenkt hatte? Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass noch ein zweites Boot beteiligt gewesen sein musste. Und ein Helfer. Onkel Hannibals Boot war kurz darauf an Land getrieben worden. War Fischer-Brian damit an den Fjellerup Strand gefahren? Nachdem er alle Seeventile und Leitungen geöffnet hatte, um seine Molly zu versenken?
Sie versuchte, ihren Puls zu beruhigen, damit das Herzrasen aufhörte. Dann erst tauchte sie in die Kajüte. Zentimeter für Zentimeter durchsuchte sie die Molly , aber fand kein Paket; kein Heroin. Sorgfältig tastete sie den Boden ab undplötzlich waren es keine Holzplanken mehr, die sie unter den Fingern spürte. Sie wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, eine Leiche unter Wasser zu berühren. Eine Leiche, die schon seit Monaten dort lag. Haut und Muskeln zerfielen unter ihrer Berührung, sie stieß auf Knochen und die Reste von Kleidungsstücken. Sie versuchte klar zu denken und nach Vorschrift und Routine zu agieren. Als ihre Hände jedoch auf das Tauchermesser stießen, wusste sie, wessen Leiche sie gefunden hatte. Die Panik drohte sie zu ersticken. Onkel Hannibal war nie ohne sein geliebtes Tauchermesser losgegangen, das er sich immer um die Wade gebunden hatte. Er war einer jener alten Seebären gewesen, die eigentlich nur noch in Comics vorkamen.
Auf einmal liefen ihre Gedanken auf Hochdruck. Das Messer war in tadellosem Zustand und es war die Chance, auf die sie geduldig gewartet hatte. Aber sie war gezwungen, eine Beute mit von Bord zu bringen. Im Ruderhaus fand sie den Verbandskasten, sie riss ein Stück von der Gardine vom Fenster und umwickelte ihn damit. Mit dem Paket unter dem Arm und dem Messer im Holster begann sie den Aufstieg. Sie versprach Hannibal, dass sie zurückkehren und ihn bergen würde.
Sie nahm sich viel Zeit mit dem Auftauchen, obwohl es bei dieser geringen Tiefe nicht notwendig gewesen wäre. Jetzt wusste sie wenigstens, was geschehen war. Fischer-Brian hatte ihren Onkel in seinem Boot dorthingelockt, wahrscheinlich unter dem Vorwand, ihn mit neuen Trinkvorräten zu versorgen. Dann hatte Fischer-Brian ihn zu sich auf die Molly gebeten und ihn vielleicht getötet, weil er zu viel gesehen hatte. Eine Obduktion würde die Todesursache klären können, wenn es ihr gelingen sollte, Blackie zu überwältigen und die Polizei zu
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