Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Bjerre, Mama?«
Seine Mutter zündete sich eine Zigarette an.
»Sie trug eine Zeit lang eine Zahnspange.«
»Das muss aber lange her sein.«
Seine Mutter nahm einen tiefen Zug. Dann stand sie unvermittelt auf. Er hörte sie im Wohnzimmer hantieren und ging ihr nach.
»Hier ist es. Ich weiß nicht, ob dir das weiterhilft. Das sind Aufnahmen von Sannes zwölftem Geburtstag.«
Es waren fünf Fotos. Die Mädchen – es waren insgesamt sieben – saßen im Garten auf der Terrasse und aßen Kuchen. Die meisten waren schmal und schlank, noch ohne weibliche Formen. Es war Sommer. Shorts und kurze Röcke.
Seine Mutter zeigte auf eines der Mädchen.
»Das da ist Nina.«
Sie war von vorne zu sehen. Ein paar Mädchen hatten sich auf einem kleinen Abhang im Garten seiner Tante neben Sanne gestellt und posierten wie Modells.
»Sie war ein bisschen O-beinig, oder?«, sagte seine Mutter und deutete auf das Foto. »Schöne Figur, aber ein bisschen O-beinig. Aber in Hosen fällt so etwas ja gar nicht auf.«
Sie sah ihn an.
»Heutzutage kann man ja so einiges machen, um die Zahnstellung zu korrigieren. Aber ich habe noch nie gehört, dass man seine Beine richten kann.«
K APITEL 10
Am nächsten Morgen fuhr Peter auf dem Weg zurück nach Djursland noch einmal bei Stingers Schwester vorbei. Aber sie hatte nichts von ihrem Bruder gehört und hatte auch keine Idee, wo er stecken könnte.
»Wahrscheinlich ist er einfach in ein Loch gefallen«, sagte sie. »Er hat eine Frau getroffen, sagst du?«
Lulu hatte die Person, der Stinger auf der Straße begegnet war, als Mannweib beschrieben, schwarz gekleidet und mit vierschrötigem Gesicht. Sie hatte ihn angesprochen und überredet, die Verabredung zum Essen für etwas offensichtlich Interessanteres sausen zu lassen. Elisabeth schüttelte den Kopf. Die Beschreibung passte auf niemanden in Stingers Bekanntenkreis, aber es sähe ihm ähnlich, sich durch eine Einladung zum Saufen weglocken zu lassen.
»Wahrscheinlich ist er mit ihr durch sämtliche Kneipen gezogen und hat dann jemanden gefunden, bei dem er übernachten konnte«, vermutete Elisabeth, die Besuch hatte und keine Zeit, sich lange zu unterhalten.
Peter stand an der Wohnungstür und konnte nur einen flüchtigen Blick auf die Besucherin erhaschen, die im Wohnzimmer saß und sich ein Coolpack an die Wange drückte. Sie war eine große, sehr dünne junge Frau mit Pferdeschwanz. Jemand hatte sie zusammengeschlagen, denn ihr Gesicht war voller Blutergüsse.
»Sie ist von ihrem Freund weggelaufen. Ich muss ihr helfen«, flüsterte Elisabeth. »Wenn er sie findet, bringt er sie um.«
Peter wollte eigentlich fragen, was passieren würde, wenn der Freund sie hier bei Elisabeth finden würde. Wäre dann auch sie in Gefahr? Aber er hielt den Mund. Auf einmal beschlich ihn das Gefühl, dass Elisabeth und er sich ziemlich ähnlich waren, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkennen konnte. Ihm kam das Verhaltensmuster bekannt vor, Kinder, Kranke und Verfolgte ins Haus zu lassen und nicht Nein und Stopp sagen zu können. Am liebsten hätte er ihr das gesagt: dass sie darüber nachdenken sollte, Grenzen zu ziehen. Aber es ging ihn ja nichts an, darum ließ er Kaj in den Kofferraum springen und fuhr zurück nach Djursland. Er hatte ursprünglich vorgehabt, noch bei der Polizei vorbeizufahren, um seine Aussage zu korrigieren. Aber er hatte Manfred versprochen, zur Arbeit zu kommen, und mittlerweile war es schon halb zehn. Darum beschloss er, seine Mittagspause zu nutzen, um reinen Tisch zu machen.
Die Tischlerwerkstatt war in einem alten Stallgebäude neben dem Hauptgebäude untergebracht, das Manfred in seiner Freizeit instand setzte. Er nannte es selbst sein Sisyphusprojekt. Peter fand ihn an den Böcken stehend, wo er eine alte türkisfarbene Badezimmertür abschliff.
»Vielen Dank noch mal für gestern.«
Peter schrie seinen Gruß gegen den Lärm der Schleifmaschinean. Manfred sah auf und schaltete das Gerät aus. Er strich mit der Hand über die Oberfläche der Tür und lächelte zufrieden.
»Gleichfalls. Das war eine gute Ernte.«
»Wie viel insgesamt?«
»Es waren drei Böcke und zwei Rehe und zwei Fasane und ein Fuchs.«
Peter pfiff durch die Zähne.
»Nicht übel.«
»Wir haben eine schöne Strecke hier im Hof gelegt. Schade, dass du nicht dabei sein konntest. Ich maile dir die Fotos.«
Manfred musterte ihn vielsagend.
»Ich habe gehört, du hattest alle Hände voll zu tun unten am Strand?«
Peter
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