Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
war das kleine Sommerhaus am Rand von Grenå, für das sie ihre letzten Kronen zusammengekratzt hatte. Allerdings war es nicht viel, wenn man bedenkt, wie viel ich im Laufe der Zeit für meine Taucherausrüstung ausgegeben habe, dachte sie, als sie in den Hasselvej einbog. Das Haus stand auf einem eingezäunten Weidegrundstück am Rand einer Sommerhaussiedlung südlich der Stadt, und genau genommen war eine ganzjährige Nutzung nicht erlaubt. Es war alt, aus schwarzem Holz und hatte ein Teerdach, das sie schon längst hätte abreißen und ersetzen müssen. Aber ihr fehlte das nötige Kleingeld, außerdem mochte sie es so, wie es war. Sie fühlte sich dort zu Hause und das war das Wichtigste.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, ein paar Holzscheite in den Kamin zu legen, sich mit einer heißen Tasse Tee und einer Wolldecke davorzusetzen und einen der Muffins zu verspeisen, die sie gestern in einem Anfall von Häuslichkeit gebacken hatte. Aber das musste warten. Sie parkte das Auto vor der Garage, schleppte ihre Ausrüstung rein und begann mit den Routinewartungen nach jedem Tauchgang. Sie hatte sich umgezogen, nachdem sie das Boot wieder im Hafen festgemacht hatte. Mit einem selektiven Ordnungssinn, der sein Gesicht nur im Zusammenhang mit ihrer Ausrüstung zeigendurfte, hatte sie wie immer alle Gegenstände säuberlich in die dafür vorgesehenen Kisten gelegt. Sie drehte die Flasche zu, leerte die Schläuche von übrig gebliebener Luft und koppelte den Atemregler vom Ventil der Tauchflasche. Sie überprüfte erneut, ob sie die Flasche verschlossen hatte, und leerte ein zweites Mal die Schläuche. Danach trocknete sie die erste Stufe und die Staubschutzkappe am Hochdruckanschluss, brachte die Staubschutzkappe wieder fest an und spülte den Atemregler gründlich, bevor sie ihn an seinem gewohnten Platz zum Trocknen aufhängte.
In einer der Kisten mit Ausrüstung lag auch ihr Trockentauchanzug, eine Spezialanfertigung, den sie sich hatte maßschneidern lassen. Daneben waren ein Neopren-Innenanzug, die Neopren-Handschuhe, die Haube sowie die Weste mit integriertem Gewichtssystem, mit dem sich der Auftrieb besser regulieren ließ. Sie hatte die Gewichttaschen abgenommen und vor sich hingelegt. Die Taucherflasche mit der Dreierkonsole für Luftreserve, Tiefenmesser und Luftdruck, der Kompass und die anderen Dinge, die man für einen sicheren Freizeittauchgang benötigte, lagen ebenfalls in ihren Kisten.
Sie sah auf die Uhr. Es war schon zehn. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass die Suche nach einer verschwundenen Frau erst mit Verspätung beginnen konnte. Darum beeilte sie sich, die Teile alle einzeln zu spülen, die Weste von innen zu reinigen und die Luft herauszulassen. Dann pustete sie die Weste wieder auf, damit sie schneller trocknen konnte. Die restlichen Gegenstände – Messer, Schere, Taschenlampe, Markierungsbojen und Signalausrüstung – unterzog sie einem kurzen Check, ehe sie die Garagentür hinter sich zuzog.
In der Küche stopfte sie sich eine Scheibe Brot in den Mund und spülte sie mit einem Glas Milch herunter. Sieschloss die Haustür ab und fuhr mit einer Mischung aus gespannter Erwartung und tiefer Traurigkeit hinunter zum Hafen, um dort ihren Kollegen zu begegnen, die sie seit der Aktion im Vejle Fjord nicht mehr gesehen hatte.
Sie standen alle vor dem großen grünen Taucherfahrzeug, das am mittleren Hafenbecken geparkt war, mit dampfenden Kaffeebechern in der Hand, und diskutierten die Strategie des bevorstehenden Tauchgangs. Allan Vraa gab ihr ein kurzes Briefing und reichte ihr einen Kaffeebecher.
»Sie war dort drüben auf einer Silvesterparty.«
Er zeigte zu den Häusern am Jachthafen. Die Bewohner dieser Wohnungen konnten ganz sicher nicht den Charme eines alten Sommerhauses erkennen, dachte Kir.
»Aber ein Augenzeuge hat sie gegen zwei Uhr morgens an diesem Becken gesehen, darum beginnen wir mit der Suche hier. Niklas und Mark haben schon die Orientierungsleinen ausgelegt.«
Kir hatte bereits Erfahrungen mit dem Hafen von Grenå gesammelt. Insgesamt gab es drei Becken. Das große Industriebecken lag am äußersten Rand und war zehn bis elf Meter tief, im mittleren machten die großen Trawler fest und dort lag auch die große Sortierungs- und Pumpanlage für die Verarbeitung von Industriefisch. Das kleine Becken war für die kleineren Garnfischer und Kutter. Das mittlere Becken hatte eine Durchschnittstiefe von 7 Metern und sehr schlechte Sichtverhältnisse. In unmittelbarer
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