Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Weiße Wände, weiße Möbel. Spartanisch. An den Wänden Landschaftsmalereien. Einige waren blasse Winterlandschaften in blauen und weißen Tönen. Sie erkannte die Steilküste, die Straße, das Meer. Sie näherte sich einem der Bilder. Schnupperte. Daher kam der Geruch. Sie waren gerade erst fertig gemalt worden. Sie betrachtete die Signatur: PAB. Kurz darauf entdeckte sie in einem anderen Zimmer, das offenbar nur als Atelier benutzt wurde, die Staffelei und Farben. Dort lehnten an den Wänden noch weitere Werke. Die meisten waren Teil einer Serie. So wie die Gemälde im Wohnzimmer alle das Winterthema hatten, verband auch diese hier ein sich wiederholendes Motiv: ein großer, brennender Baum. Aber die waren älteren Datums.
Während sie einen Raum nach dem anderen abschritt,versuchte sie Rückschlüsse auf den Bewohner des Hauses zu ziehen. Aber sie stieß immer wieder auf unstimmige Details. Die Bilder ließen den Schluss zu, dass sich hier ein kultivierter Mensch hinter seinem abweisenden Äußeren verbarg. Aber dann blätterte sie seine CD-Sammlung durch. Hohle Fahrstuhlmusik, Rap, Hip-Hop. Schwarze mit Tonnen von Goldschmuck um den Hals, die wahrscheinlich alle wegen Drogenhandels und Raub gesessen hatten, zierten einige Cover. Dasselbe galt für die DVD-Sammlung: hirnlose Actionfilme und natürlich ein Stapel Pornos. Auch hier keine besondere Raffinesse weit und breit.
Dann scannte sie das Bücherregal in der Erwartung, dort ähnlich enttäuscht zu werden. Aber abgesehen von ein paar Büchern über Hundetraining, stieß sie auf die nächste Überraschung. Den Großteil der Regale nahmen Klassiker ein und sie sahen alle aus, als seien sie auch gelesen worden: Tolstoi, Dostojewski, Dickens, Steinbeck, Flaubert, Dumas, Hugo, Cervantes und viele mehr. Robinson Crusoe war so zerlesen, dass die Seiten auseinanderfielen. Aber auch die dänische Literatur war vertreten: Johannes V. Jensen, Blixen, Martin A. Hansen, I. P. Jacobsen. Sie kannte die Namen der Autoren und hatte einen Teil von ihnen auch in der Schule gelesen, aber sie selbst war alles andere als ein Bücherwurm.
Dann ging sie in die Küche und erwartete dort nun wieder die kulinarische Entsprechung zum Bücherregal. Aber nichts dergleichen. Nur teures Hundefutter von einem Tierarzt, ein paar Packungen Haferflocken, einen großen Vorrat an weißen Bohnen, Dosentomaten und Pasta sowie Eier, Milch, Bacon und Toastbrot im Kühlschrank. Und Reste von einem Braten.
Dahinter befand sich das Schlafzimmer. Es war kalt, erinnerte eher an eine Klosterzelle und das Bett war nicht bezogen. Sie ging die Treppen hoch in den ersten Stock, wo eingroßes Zimmer war. Auf dem Boden lagen eine Matratze, ein Schlafsack und zwei dicke Lammfelle. Die übrige Möblierung bestand aus einem Sofa und einem kleinen Tisch mit einer Lampe. Eine doppelte Glastür führte auf einen Balkon, von dem man einen Teil der Steilküste und den Stadtrand sehen konnte. Dort stand sie, als sie das Motorengeräusch hörte und dann den Wagen sah, der sich durch den Schnee kämpfte.
Sie wollte abhauen, aber erstarrte in der Bewegung. Der Motor erstarb, dann hörte sie eine Scheibe, die eingeschlagen wurde. Sie stand reglos im Zimmer, während im Erdgeschoss jemand durch die Zimmer polterte. Sie hörte, wie Gegenstände zu Boden fielen und zerbrachen, Bücher, die aus den Regalen gerissen wurden und mit einem weichen Geräusch auf dem Dielenboden landeten. Es gab keine Möglichkeit, sich hier oben zu verstecken, und sie hatte keine Waffe. Doch. Die Lampe auf dem Tisch. Sie riss sie aus der Steckdose und nahm den Lampenschirm ab. Sie war aus Keramik. Und schwer, so schwer wie ein langes, schreckliches Jahr.
Dann hörte sie polternde Schritte auf der Treppe.
K APITEL 13
Kir folgte der Leine, die von der roten Boje in die Tiefe führte, und tauchte sieben Meter, bis auf den Grund vom Hafenbecken, ganz dicht am Bollwerk der Kaimauern. Die Sicht war gleich null. Sogar den eigenen Handschuh vor der Nase sah sie nicht. Sie fand Position Nummer 1 an der Laufleine, griff nach der Orientierungsleine und schwamm zwanzig Meter quer über den Grund des Hafenbeckens, eine Hand immer am Seil. Mit der freien Hand tastete sie im Schlamm nach einem toten Körper. Ergebnislos. Bei der gegenüberliegendenPosition der Laufleine Nummer 2 drehte sie um und wiederholte den Vorgang in die andere Richtung. Zurück bei Laufleine Nummer 1 löste sie die Orientierungsleine und befestigte sie eine Armlänge von der ersten
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