Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Plüschsofa.
Im Zeitungsständer lagen ein paar alte Ausgaben, Tageszeitungen,Fachblätter über das Tauchen, alles aus den 90ern. Sie nahm sich eine und blätterte darin herum. Dabei musste sie an Mark Bille Hansen denken. Würde sie jemand nach ihm fragen, sie hätte ihn genau beschreiben können. Seine Größe. Seine Art zu gestikulieren. Seine Tonlage. Die Schneekristalle in seinem Haar und auf den Bartstoppeln. Die Art, wie er sie angesehen hatte, als hätte sie alle Antworten auf alle Fragen. Blau, Grün, Braun, die Farbe war ihr egal. Sie wusste es auch nicht. Aber an den Blick konnte sie sich erinnern, die Intensität. Es hatte sie ganz schwindelig gemacht und das gefiel ihr gar nicht.
Sie legte die Zeitung auf den Tisch, als sie plötzlich hörte, wie ein Wagen in die Einfahrt fuhr und hielt. Sie sah Blackies schwarzen Honda und wenige Sekunden später stand er in der Tür.
»Was machst du hier?«
»Ich jage Gespenster.«
Das war ein fester Begriff aus ihrer Kindheit. In Hannibals Haus hatte es immer viele und sonderbare Geräusche gegeben. Das hatte ihre kindliche Phantasie beflügelt und sie hatten einen Verein gegründet: zum Einfangen aller Gespenster, die im Haus herumspukten.
Blackie grinste und sein großes Muttermal auf der Wange zog sich in die Länge. Es war zwar eher rot als schwarz, aber dennoch für seinen Spitznamen Blackie verantwortlich. Eigentlich hieß er Mogens.
»Und hast du welche gefunden?«
»Nee.«
Blackie war mächtig, sowohl in der Höhe als auch in der Breite, und er ließ den Raum mit seiner niedrigen Deckenhöhe aussehen wie aus einem Zeichentrickfilm. Er setzte sich in den gestreiften Ohrensessel und sah sich im Zimmer um.
»Ist ja fast so, als wäre der Gute noch hier.«
Er grinste. »Gleich kommt er rein und erzählt die Story, als er diesen Typen aus 45 Metern Tiefe aus dem Ruderhaus bergen sollte und an seinem Bein gezogen hat. Weißt du noch?«
Blackie tat so, als würde er an einem imaginären Bein ziehen. Er konnte Hannibals Mimik und Stimme perfekt imitieren:
»Himmel, Arsch und Zwirn aber auch! Da sägt mir doch einer den Mast ab!«
Hannibal hatte alle Klischees eines Seefahrers erfüllt, darüber war er sich aber auch selbst im Klaren gewesen. Blackie hielt das imaginäre Bein in die Luft und betrachtete es mit zusammengekniffenen Augen.
Kir lachte. Blackie hatte die Geschichte wieder zum Leben erweckt. Hannibal hatte tatsächlich geglaubt, er habe der Leiche im Ruderhaus ein Bein ausgerissen, es stellte sich aber heraus, dass er eine Prothese getragen hatte.
Wehmütig sah sie Blackie an. Sie vermisste ihre gemeinsame Kindheit, die Abenteuer, die sie zusammen erlebt hatten. Blackie, Tomas und sie. Das hatte so abrupt aufgehört. Mit dem Tag, als Tomas ins Wasser gefallen und sie ihn gerettet hatte, hatte Blackie dieser Gemeinschaft den Rücken zugekehrt. Seitdem war es nie wieder wie früher gewesen, darum war das hier ein seltener und umso wertvollerer Augenblick.
»Was glaubst du eigentlich, was passiert ist mit ihm?«
Blackie legte den Kopf in den Nacken, sodass seine Sehnen am Hals wie zwei gespannte Taue hervortraten.
»Vermutlich musste er mal ordentlich strullen, hat sich an die Reling gestellt und ordentlich einen im Kahn gehabt und: Platsch.«
»Ich habe nach ihm gesucht«, gestand sie. »Ich war dort tauchen, wo er immer zum Angeln hingefahren ist.«
»Kannste vergessen!«, sagte Blackie. »Es war so, wie ichgesagt habe. Ab über die Reling. Der Alte ist so gegangen, wie er es sich gewünscht hätte.«
Kir war sich dessen überhaupt nicht sicher, aber die meisten waren dieser Ansicht. Und vielleicht hatten sie sogar recht. Zwei Tage nach seinem Verschwinden hatte man Hannibals Kutter vor dem Fjellerup-Strand gefunden. Das hatte niemanden sonderlich überrascht. Die meisten waren der Meinung, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen sei. Vor allem ihr Vater hatte diese Haltung vertreten. Kurz darauf wurde daraus bittere Wut, als herauskam, dass Hannibal alles den Kindern vererbt hatte und er nicht einen müden Cent bekam.
»Na ja, ich wollte ein paar Fässer holen.«
Blackie schwang sich aus dem Sessel. In der Tür drehte er sich noch einmal um. Er wollte gerade etwas sagen, als Kirs Handy klingelte. Es war Allan Vraa.
»Arbeit«, murmelte sie und ging ran. »Und, gibt’s was Neues?«
»Allerdings. Die Rechtsmediziner haben bestätigt, dass die Leiche aus dem Hafenbecken nicht Nina Bjerre ist.«
»Aber wenn sie das nicht ist, wer ist
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