Eiskalte Angst
Fußstapfen zu setzen. Es war ein verbrauchter Trick, und er hoffte, seine Verfolger würden ihn nicht durchschauen.
Rechts von ihm bogen sich Äste bis über den Waldboden, an denen er behände hochkletterte. Zwei Meter. Drei Meter. Seine Schuhe rutschten auf den vereisten Ästen weg. Krampfhaft hielt er sich am Stamm fest und wand sich mit eingezogenen Schultern Meter für Meter nach oben. Dabei versuchte er, so leise wie möglich zu sein.
Weiter ging es nicht.
Der Waldboden lag mehr als fünf Meter unter ihm und - zumindest hoffte er das! - wenn er sich ruhig verhielt, würde man ihn vorerst nicht entdecken.
Alles war still.
Hatte man die Verfolgung aufgegeben?
Dann tauchten sie unter ihm aus dem Dunkel auf. Zwei Personen, die seinen Fußabdrücken folgten, verharrten, bevor sie in die Hocke gingen und miteinander tuschelten. Ihnen war nicht entgangen, dass seine Spur abgebrochen war.
Der Schneefall wurde stärker, sodass die dunklen Kutten der Verfolger aussahen, wie mit Puderzucker bestäubt. Einer von ihnen wies zu einem entfernt stehenden Baum hoch.
Der Flüchtende drückte sich eng in den Schatten. Sollten sie ruhig denken, er habe sich in Luft aufgelöst.
Die Verfolger schritten um einen Baum und suchten das Geäst nach ihrem Opfer ab. Einer der beiden schüttelte seinen Kopf und zuckte mit den Achseln.
Tief im Wald knackte ein Ast so laut, dass es wie ein Donnerhall klang.
Die Verfolger wirbelten herum.
»Das ist er ...!«, rief einer der beiden.
Erleichtert blickte der Mann seinen Verfolgern hinterher, die in die Richtung des Geräusches liefen und von der Dunkelheit verschluckt wurden .
Der Lichtkegel eines Autos wischte durch den Wald. Wie es aussah, gab es nicht weit entfernt eine Straße. Das war gut und würde seine Flucht erleichtern. Nur vier Kilometer von hier gab es ein Dorf. Grindelwald. Das war sein Ziel, denn dort würde er sich verstecken, um weitere Pläne zu schmieden.
Der Mann machte sich daran, vom Baum herunter zu klettern, als ihn ein dumpfes Dröhnen so erschreckte, dass er die letzten zwei Meter fiel und unsanft im Schnee landete.
Es war das Geräusch eines Autos gewesen, das gegen irgendetwas gekracht war, ein schauerlicher Ton, der sich in Wellen durch den Wald fortpflanzte.
Ein Unfall! Unten an der Straße war ein Unfall geschehen!
5
Licht!
Grelles Licht blendete April. Sie jammerte, allerdings nicht vor Schmerzen, vielmehr war sie maßlos erschrocken, denn jemand strahlte sie direkt mit einer Taschenlampe an.
Schmerzen?
Warum gab es keine Schmerzen? Keine Pein? Im Gegenteil - sie fühlte sich ruhig, gelassen - wenn nicht sogar ... ausgeruht. Sie tastete hinter sich und ihre Finger fanden Baumrinde. Sie lehnte mit dem Rücken an einem Stamm.
Was um alles in der Welt war geschehen? Sie hatte ihre Knochen brechen hören, hatte feinen Schmerz gefühlt, weniger stark, als man annehmen sollte, aber er war da gewesen, denn sie war aus dem Wagen geschleudert worden, hatte im Schnee gelegen und tiefe Stille hatte einen barmherzigen Mantel über sie gebreitet. Wie also konnte sie hier sitzen? Und wer blendete sie mit der Lampe?
April stöhnte, als sie versuchte, sich zu bewegen. Sie spürte lediglich ein feines Pochen, einem fast vergessenen Muskelkater nicht unähnlich, sonst schien sie völlig in Ordnung zu sein.
Das Licht schwenkte weg und April kniff ihre Augen zusammen. Etwa fünfzig Meter entfernt lag das Autowrack. Es hatte sich regelrecht um den Baum gewickelt!
Sie träumte. Nur so konnte es sein.
Niemand auf der Welt konnte einen solchen Unfall unbeschadet überstehen. Man trug schwerste Verletzungen davon
oder starb!
Das Wrack war mit Schnee bedeckt und verwandelte sich in einen weißen Hügel.
Und sie lehnte hier und fühlte sich - gut! Das war absurd.
»Wer sind Sie ...?«, flüsterte sie.
Eine warme Hand legte sich auf ihre Stirn. Impulsiv schloss April ihre Augen. Es kribbelte unter ihrer Kopfhaut. Wie wohliger duftender Schaum rieselten heimelige Gefühle durch ihren Körper - Heimweh, Liebe, Sehnsucht - und Tränen stahlen sich unter ihre Lider. Sie war im Himmel!
Das war die Erklärung: Sie war tot und sie war dort, wo alles anders war ...
»Ich hoffe, es geht Ihnen wieder gut«, murmelte der Mann und zog seine Hand zurück.
April schlug ihre Augen auf. Feuchtigkeit rann über ihre Wangen und alles wirkte weit entfernt in dieser unwirklichen Welt. »Wer leidet, wenn er im Himmel ist?«, flüsterte sie dankbar.
»Sie sind nicht
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