Eiskalte Berührung - Cole, K: Eiskalte Berührung
zu ändern, aber du kannst es ihr nicht befehlen . Geh zu ihr zurück. Schildere ihr deine Ängste.«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann. Du hast sie doch gesehen, Murdoch. Warum sollte sie sich so rasch in ihr Schicksal fügen?«
»Warum fragst du sie nicht einfach?«
Weil ich ihr nicht noch einmal zeigen will, zu was für einem Feigling mich mein Verlangen nach ihr gemacht hat.
»Und was die andern Männer angeht – wir leben nicht mehr im sechzehnten Jahrhundert«, sagte Murdoch. »Das hier ist nicht mal dieselbe Ebene. Sie ist eine Unsterbliche und keine errötende achtzehnjährige Jungfrau, die direkt aus dem Kloster kommt. Daran kann sie nichts ändern – also, wenn du sie haben willst, dann wirst du dich damit abfinden müssen.«
Wroth fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Seit wann bist du denn so verdammt verständnisvoll?«, fuhr er seinen Bruder an.
Murdoch zuckte die Achseln. »Jemand hat mir einige Regeln der Mythenwelt erklärt, und ich habe gelernt, dass wir nicht mit unseren menschlichen Erwartungen an ihre Geschöpfe herangehen können.«
»Wer hat dir das erzählt?« Als er nicht antwortete, drängte Wroth ihn nicht weiter – nicht bei all den Geheimnissen, die er selber mit sich herumtrug. »Wirst du wieder in Ordnung kommen?«, fragte er.
»So ist das, wenn man unsterblich ist. Es sieht immer schlimmer aus, als es ist.«
Wroth versuchte vergebens ein Grinsen.
»Viel Glück, Bruder.«
Vor dem Zimmer sprach er mit denjenigen, die über Murdoch wachten, und erklärte nur allzu deutlich, was mit ihnen geschehen würde, sollte sich der Zustand seines Bruders verschlechtern. Dann dachte er darüber nach, sich nach Hause zu translozieren. Er war beinahe froh, als Kristoff wegen dieser neuesten Bedrohung eine Versammlung einberief; dankbar für die Gelegenheit sich abzuregen, ehe er Myst wieder gegenübertrat.
Kristoff fragte ihn ohne Umschweife: »Wieso hat dir deine Frau nichts von den gewandelten Dämonen erzählt?«
»Ich weiß nicht. Ich werde sie fragen, wenn ich zu ihr zurückkehre.« Er fragte sich dasselbe. Ob sie davon gewusst hatte? Nein, sie hatte ihn alles gelehrt, was sie wusste, ohne Ausnahme.
Warum sollte sie das tun, wenn sie plante, ihn zu verlassen?
Als er bei diesem Gedanken vor Unbehagen zusammenzuckte, bemerkte er, dass Kristoff ihn immer noch musterte.
»Gibt’s sonst noch irgendwas?«
Er verdankte Kristoff sein Leben und das Leben seiner Brüder. Er war seinem König etwas schuldig für drei Brüder und für Myst selbst. Er würde die Informationen über Mysts Rasse für sich behalten, ihm aber den Rest mitteilen. »Ich habe von ihr viel über die Mythenwelt gelernt und muss mit Euch darüber reden, aber meiner Frau ging es nicht gut, als ich fortmusste. Ich würde gerne zu ihr zurückkehren.«
»Selbstverständlich«, sagte der König mit undurchdringlicher Miene. »Aber morgen werden wir über alles sprechen.«
Wroth nickte und translozierte sich zu Myst zurück. Nachdenklich verzog er das Gesicht, als im Mahlstrom seiner Gedanken auf einmal eine verschwommene Erinnerung auftauchte. Hatte das Herz seines Bruders vorhin geschlagen? Doch ehe er weiter darüber nachsinnen konnte, wurde Wroths Aufmerksamkeit von Mysts schlafender Gestalt abgelenkt. Als er auf sie hinabblickte, schmerzte seine Brust, wie immer. Manchmal verfluchte er sein schlagendes Herz wegen des Schmerzes, der untrennbar damit verbunden zu sein schien.
Murdoch hatte recht. Sie konnte nicht ändern, was sie war, und er hatte ihr heute unrecht getan. Wenn er, was sie betraf, nur klarer denken könnte, anstatt instinktiv zu reagieren. Primitiv . Früher hatte er nie verstehen können, wenn Männer in einem Atemzug von Liebe und Wahnsinn sprachen. Jetzt begriff er es.
Er hoffte nur, dass sie in der Lage sein würde, ihm seine Schwäche zu vergeben, wenn er sie darum bat.
Nachdem er sich entkleidet hatte, stieg er zu ihr ins Bett. Er zog sie ganz dicht zu sich, fuhr mit der Hand über ihren Arm, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und atmete tief ihren weichen, süßen Duft ein. Als der Morgen heraufdämmerte, schlief er vor Erschöpfung endlich ein. Als er träumte, öffnete er seinen Geist für ihre Erinnerungen, die sich zu seinen Albträumen entwickelt hatten. Sie verdrängten all seine anderen Visionen von Kriegen und Hungersnöten, weil sie ihm am meisten Schmerz bereiteten. Sieh sie dir an, wie sie wirklich ist, alle schmutzigen Details. Bestrafe dich selbst.
Sieh sie dir alle
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