Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
Ruhe vor dem Sturm, die Augen starr auf Tatjana Kartan gerichtet. »Dann mach, dass du raus kommst, und schick mir Leila Voist.«
14
»Ich hab kein gutes Gefühl.« Samira knetet ihre zarten Finger mit den abgekauten Nägeln. »Echt nicht.«
»Gefühl, Gefühl!« Stefan schnaubt. Schlägt mit der Faust auf das Lenkrad. »Das ist alles, was euch Weibern einfällt.«
»Pass auf, die Kurve! Es ist doch so glatt …«
»Ach nee, ehrlich?« Stefan nimmt demonstrativ beide Hände hoch. »Gut, dass du das gesehn hast. Mann, hältste mich für völlig blöd, oder was?«
Samira reißt die Augen auf, krallt sich am Sitz fest. Stefan greift wieder nach dem Lenkrad und drosselt die Geschwindigkeit des alten VW Polos. »Ich weiß nicht, was du schon wieder hast. Ehrlich nicht! Da winken uns fünfzig Euro. Für eine Stunde Anwesenheit. Anwesenheit , sag ich! Also noch nicht mal Arbeit …«
»Aber findest du’s nicht auch total komisch, dass wir sofort da hinkommen sollen? Ich mein …«
»Was!« Stefans Blick wird noch düsterer, was Samira unmissverständlich signalisiert, dass er kurz vor dem Ausrasten steht. »Ich versteh absolut nicht, was du willst, Sam! Der Typ ist bei mir in der Faceletter-Freundesliste …«
»Seit wann?«
»Seit …« Er bricht ab, tritt mit Elan aufs Gaspedal. »Das ist doch völlig egal, Mensch! Ich hab dir das Profil gezeigt. Durch und durch seriös! Der Mann ist Wissenschaftler und hat mir ’ne Veranstaltungseinladung geschickt …«
»Und wieso ausgerechnet dir?«
Stefan tritt in die Eisen, sodass der Kleinbus hinter ihnen beinahe ins Heck des Autos knallt. Wütendes Hupen. Stefan streckt den Mittelfinger auf Höhe des Rückspiegels, fährt an denStraßenrand und schaltet die Warnblinkanlage ein. Er wendet sich Samira zu, die mit hochgezogenen Schultern auf dem Beifahrersitz hockt.
»Was soll das denn heißen, hä? Los, spuck’s aus, aber pronto!«
Samira muckst sich nicht. Sie fixiert den Schaltknüppel des Wagens, hält sich innerlich daran fest. Die momentane Stille, sie hat nichts Friedliches, legt sich wie eine schwere Wolke auf die glatte weiße Stirn der Zweiundzwanzigjährigen. Wenn sie nicht gleich irgendetwas sagt, dann …
»Bitte, Stef, bleib ruhig. Ich hab’s doch nicht so gemeint.«
»So?« Die Stimme ihres Mannes explodiert in ihren Ohren. Wie der Startschuss zu einem weiteren Amoklauf ins Tal der Tränen. »Wie hast du’s denn dann gemeint, hä? Den ollen Hartzer will sowieso keiner mehr – das ist es doch, was du gemeint hast! Stimmt’s?«
»Nein, ich …«
»Jeden gottverdammten Tag! Immer wieder und wieder schmierst du mir das aufs Brot!« Er schüttelt so heftig den Kopf, dass sich die mit Gel nach hinten frisierten Strähnen seiner kinnlangen Haare lösen. »Ich kann’s bald nicht mehr ertragen!«
»Aber ich wollte doch bloß …«
»Halt die Klappe, jetzt red ich!«
Samira senkt die Augen, ihre Lider mit einer violettsilbernen Farbschattierung geschminkt. Sie krampft die Hände ineinander. Als könne sie das vor dem Wortschwall ihres Mannes schützen.
»Wie wär’s, wenn du’s erst mal besser machen würdest, Miss Motzig! Dann kannst du mir von mir aus weiter deine Vorhaltungen machen! Aber dreimal die Woche abends noch schnell ein bisschen Wischen in der Pizzeria gegenüber – damit bist du längst nicht die Heldin der Republik. Und blöd, dass man davon auch nicht leben kann.«
»Wir haben zwei kleine Kinder!«, bricht es aus Samira heraus. »Soll ich die vielleicht den ganzen Tag …«
»Weil du zu doof warst, die Pille zu schlucken! Und was hätte da jeder normale Kerl gemacht? Hä? Der wär einfach abgehau’n, genau! Ich aber nicht! Ich mach und tu – und zum Dank dafür muss ich mich ständig von dir miesen Schlampe annölen lassen, wenn’s beruflich gerade mal nicht so läuft …«
»Gerade mal nicht so läuft?« Samiras Jungmädchenstimme wird schrill. »Wir sind seit knapp einem Jahr auf Hartz vier!«
»Stimmt, mein Engel! Du sagst es! Wir!«
Samira sieht ihren Mann mit großen Augen an. Und sinkt wieder in sich zusammen.
»Na los! Geh da raus und versuch du doch mal, einen normal bezahlten Job zu kriegen! Und das auch noch für länger, als irgend so ein Projekt gerade dauert. Ich mach dann sehr gerne den Hausmann. Und werd den zwei Würmern ein prima Dad sein. Versprochen.« Er hebt Zeige- und Mittelfinger. »Hoch und heilig. Gar kein Problem.«
Samira schweigt. Spürt ein Brennen in den Augen. Jetzt bloß
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