Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
nicht heulen …
Stefan lässt sich gegen die Rückenlehne fallen. »Scheiße, Mensch. Als wenn das alles nicht schon stressig genug wäre. Kontakte knüpfen, Weiterbildung, Bewerbungen. Wie am Fließband. Mehr geht echt nicht – aber nein, die liebe Misses Ich-wär-so-gern-Prinzessin macht trotzdem jeden Tag noch zusätzlich Druck.«
»Hör jetzt auf! Bitte!« Samira kann das Schluchzen nicht mehr unterdrücken. »Ich wollt doch nur wissen, warum ein Mann, der dich gar nicht kennt, dich zu so was eingeladen hat. Eine ganz normale Frage. Der hat doch bestimmt noch mehr Leute in seiner Freundesliste …«
»Wir haben ein paar Mal nett gechattet, ganz einfach.«
»Ja, aber …«
»Nichts aber!« Stefans Stimme, sie bricht fast vor Wut. »Das ist heut so im Internet. Wenn einer was sucht oder einen Job zu vergeben hat, dann mailt er eben mal rum. Oder chattet. Total easy, das alles.«
Samira beißt sich auf die Unterlippe. Nagt an ihrem schmalen Piercingring. »Und um was ging’s da so in eurem Chat?«
»Na, um was wohl!« Stefan schlägt sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Wie kann man nur so doof fragen! Wir kamen ins Gespräch – so nach dem Motto, was machst du und wo wohnst du – und da hat er mir eben diesen supereasy Job angeboten. Und anstatt sich zu freuen, kommst du und machst prompt wieder alles mies. Mann, wie mir das auf den Sack geht!«
»Ist ja gut, jetzt reg dich bitte wieder ab.« Samira tupft sich die Augen trocken, damit Wimperntusche und Lidschatten nicht weiter verschmieren. Sie sieht auf ihre pinkfarbene Armbanduhr. »Eine Stunde dauert das, hast du gesagt?«
»Höchstens.«
»Und was genau sollst du da machen?«
Stefans Miene wird erneut dunkel. Samira stellt schnell die nächste Frage: »Und warum will er, dass wir beide kommen?«
Stefan saugt geräuschvoll Luft durch die Nase ein. »Na, weil er nicht ahnen konnte, mit was für einer verdrehten Zicke ich verheiratet bin. Aber keine Sorge, du hast’s sicher bald geschafft. Denn wenn wir hier noch länger blöd rumsitzen …«
»Gut, dann fahr los.« Samira nickt. Presst beide Hände unter ihre in engen Röhrenjeans steckenden Oberschenkel und drückt ihren zierlichen Oberkörper schnurgerade durch. »Francis muss nachher noch bei den Uhlmanns abgeholt werden. Und Cathy-Jane braucht in spätestens zwei Stunden ihren Brei.«
15
Schwarze Tore öffnen sich und ein scheues Wild erschrickt. Streift ganz angstvoll deinen Blick.
»Guten Abend. Bitte treten Sie ein.« Die Augen des Jägers, sie mustern den jungen Mann in seinem abgetragenen Parka, den ausgebeulten Jeans. Und dann ist da das Mädchen … so unschuldig … rein … und so schön …
Samira duckt sich weg unter dem Blick, registriert die winzige Tätowierung auf der dargebotenen Hand: ein längerer Strich und zackig gezogene Linien, die eine Fläche bilden. Eine Fläche, die aussieht wie der Kopf einer Axt … Samira drückt diese Hand so kurz, als würde sie eine heiße Herdplatte berühren. Dann sieht sie Stefan an. Tränen schimmern in ihren Augen. Doch er schaut demonstrativ an ihr vorbei. Die tätowierte Hand vollführt eine einladende Geste zur Eingangstür. »Bitte entschuldigen Sie das Tohuwabohu. Aber in der Universität geht es derzeit hoch her. Ich bin noch nicht dazu gekommen, hier mal wieder aufzuräumen.«
Ein paar Turnschuhe und Damenpumps liegen auf den Fliesen. Vor der Kommode die Scherben einer zerbrochenen Vase. Mittendrin ein zerfleddertes Kunstblumengesteck.
Samira, in Stefans Schlepptau, stolpert daran vorbei, spürt, wie ihr das Herz bis zum Hals schlägt. Sie bleibt stehen, zieht ihren Mann am Ärmel. Hartnäckig. »Sekunde, ich will nur …« Sie verschluckt den Rest. Gebannt von dem Blick aus den glänzenden Augen, die auf ihrem Gesicht ruhen.
»Wenn Sie möchten, können Sie gern hier oben ablegen. Ich gehe dann schon mal voraus und kümmere mich um die letzten Vorbereitungen.«
»In Ordnung«, ruft Stefan. Und zischt dann so leise, dass ihn nur seine Frau hört: »Was ist denn nun schon wieder los!«
»Was los ist? Na, guck dich doch mal hier um! Findest du das etwa seriös? Und … Psst! Horch doch mal«, Samira legt den Kopf schief, deutet mit dem Finger zur Flurdecke hoch. »Hast du das gehört? In der oberen Etage ist was. Es klang wie ein Stöhnen …«
»Ein Stöhnen, na klar.« Stefan lacht. Verächtlich. »Also, ich habe rein gar nichts gehört! Und seit wann bist du eigentlich so eine
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