Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
blickte Yan Tu zur Mauer hoch und entdeckte den Beschwörer, der dort wie ein Derwisch herumtanzte. Zornig streckte er den Arm aus und deutete mit dem Finger auf Ranja. „Ich krieg dich.“, formte er lautlos mit den Lippen. Ein Versprechen, eine Verheißung – aber ganz sicher keine gute.
Ein erneuter Knall kündigte die Explosion des zweiten Turms an. Wiederum gab es zahllose Tote. Die Bresche in der Mauer hatte nun gewaltige Ausmaße. Wie sollten sie das nur verteidigen? Immer mehr Grünhäute drängten durch die Lücke hindurch. Die Verteidiger würden gleich überrannt werden. Völlig fassungslos beobachtete Huan die ganze Szene von seinem Wehrturm aus. Es erschien ihm alles seltsam unwirklich. Zugleich wusste er, dass das Ende gekommen war. Und es blieb ihm nur noch eins zu tun. Ohne zu zögern riss er sein Schwert aus der Scheide und stürmte auf die Treppe zu. Wenn er schon sterben sollte, dann im Kampf gegen die Bestien. Lauthals „Quandala!“ schreiend, stürzte er sich ins Kampfgetümmel. Doch noch bevor er den ersten Gegner erreicht hatte, schreckten ihn mehrere kurze Trompetensignale auf. Er lauschte aufmerksam, und instinktiv wusste er: Die stammten nicht von den Grünhäuten. Nein, es handelte sich um typisch quandalische Signale und sie bedeuteten: „Attacke!“
Was Huan nicht sehen konnte: Aus Richtung Westen stürmte gerade eine keilförmige Formation aus fünftausend Kämpfern aufs Schlachtfeld, alle in purpurne Gewänder gekleidet. In jeder Hand ein Schwert ließen sie ihre Klingen mit rasender Geschwindigkeit wirbeln und fuhren erbarmungslos und brutal in die Flanke der bislang so siegessicheren Grünhäute. Binnen kürzester Zeit drangen sie tief in die feindlichen Reihen ein. Hunderte von toten und verletzten Gegnern lagen am Boden. Und sekündlich wurden es mehr. Ganz weit vorne tanzte Mia ihren tödlichen Tanz. Präzise fanden ihre Schwerter bei jedem Streich ein Ziel. Gliedmaßen flogen, Köpfe rollten. Ein eisiges Lächeln stand ihr auf dem Gesicht. Die dunklen Augen strahlten eine morbide Freude aus, die jeden Betrachter fasziniert frösteln ließ. So schön konnte der Tod sein.
Auf der anderen Seite des Schlachtfeldes trafen nun ebenfalls Truppen ein. Ein großes Kontingent quandalischer Kavallerie preschte mit angelegten Lanzen auf die Grünhäute zu. In den vorderen Reihen trugen die Soldaten die Abzeichen des Hauses Xi-Yang. Dahinter ritten kaiserliche Truppen. Fast wirkte es so, als trieben sie die anderen vor sich her. Der Aufprall der Kavallerie war zwar weniger elegant als der der Purpurgarde – doch nicht weniger effektiv. Die Lanzen durchbohrten ohne Mühen die gegnerischen Schilde und Rüstungen, und was dann noch stand, wurde von den muskulösen Schlachtrössern einfach in Grund und Boden getrampelt. Die Grünhäute wussten nicht, wie ihnen geschieht. Panik machte sich breit und breitete sich dann wie ein Tsunami über das ganze Schlachtfeld aus. Immer mehr Orks und Goblins nahmen die Beine in die Hand und suchten das Weite. Einigen gelang es auch, doch für viele war es schon zu spät. Erbarmungslos wurden sie einfach niedergemacht.
Der Kampf an der Stadtmauer kam inzwischen völlig zum Erliegen. Einfach nur weg – so lautete die Devise für die Grünhäute. Auch Yan Tu erkannte, dass für ihn die Zeit gekommen war zu gehen. Hastig suchte er nach einem Fluchtweg und entdeckte eine Lücke in der feindlichen Linie, wo sich gerade keine Soldaten aufhielten. Wenn er die erreichte, hatte er eine Chance zu entkommen. Zusammen mit seiner Gefolgschaft und den verbliebenen vier Trollen lief er los, immer an der Mauer entlang, wobei die Bestien mit ihren Klauen und Zähnen den Weg frei machten. Nur noch dreißig Meter, dann endete die Mauer und der Weg in die Freiheit lag direkt vor ihm. Die Zuversicht wuchs. Zugleich fluchte der Hobgoblin immer wieder laut. Hätte er sich bloß nie auf diese Menschlinge eingelassen. Jeder wusste doch, dass sie alle Lügner und Betrüger waren. Der Zorn machte ihn fast wahnsinnig. Da registrierte er besorgt, dass die Trolle nun schon einige Meter vor ihm liefen. Sie legten ein schnelles Tempo vor, das er kaum mithalten konnte. Einige seiner Gefolgsleute hatte er bereits hinter sich zurückgelassen. So schnell er konnte, rannte er weiter.
Mit einem Mal krachte es heftig direkt vor ihm. Ein Teil der Stadtmauer brach ein und türmte sich genau zwischen ihm und den Trollen auf. Gerade noch rechtzeitig kam er zum Stehen und
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