Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
starrte auf den frisch entstandenen Schutthaufen. Fast wirkte er wie eine Mauer, die von Geisterhand in Sekundenschnelle dort errichtet worden war. Hektisch schaute er sich um. Wohin sollte er fliehen? Da landete unmittelbar vor ihm ein Menschling auf dem Boden. War der etwas gerade von der Mauer heruntergesprungen? Ohne sich dabei zu verletzen? Yan Tu schaute die Blassnase verwirrt an. Dann zückte er sein Krummschwert und ging augenblicklich zum Angriff über. Elegant sprang der Mensch zurück und wich den Schlägen aus. Er trug keine erkennbare Waffe. ‚Was für ein Idiot!‘ Erneut drang der Hobgoblin auf seinen Gegner ein. Wieder wich dieser aus. Dabei gestikulierte er leicht mit der rechten Hand. Im selben Moment löste sich ein faustgroßer Stein aus der frisch aufgetürmten Mauer und schoss mit rasender Geschwindigkeit auf Yan Tu zu. Reflexartig warf der Hobgoblin sich zur Seite. Dennoch streifte ihn der Stein leicht an der Schulter. „Was zur…“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Da flog auch schon ein zweiter Stein auf ihn zu. Und ein dritter folgte unmittelbar dahinter. Immer mehr Geschosse machten sich auf den Weg. Yan Tu versuchte sein Möglichstes. Aber gegen die Geschosse hatte er keine Chance. Ein Brocken erwischte ihn an der Brust. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Automatisch krümmte er sich zusammen. Schon krachte ein weiterer Stein gegen seine Schulter. Es knirschte. Hartnäckig biss er die Zähne zusammen. Alles um ihn herum begann sich zu drehen. Erschöpft schaute er sich nach dem merkwürdigen Menschen. Ein gezielter Hieb würde dem Spuk ein Ende machen. Aber er bekam ihn nicht zu Gesicht. Wo hatte der sich verkrochen? Wie ein in die Enge getriebenes Tier fuhr er ruckartig auf der Stelle herum. Da endlich erblickte er den Typen. Nur wenige Meter vor ihm stand er und grinste. Und Yan Tu sah noch mehr. Aus der gleichen Richtung raste ein wahrer Steinhagel direkt auf ihn zu. Mit weit aufgerissenem Mund und Panik in den Augen sah er seinem Ende entgegen. Es blieb nicht einmal mehr Zeit, dass sein Leben vor ihm in Bildern ablief. Das letzte, was er mitbekam, waren die hämischen Worte der Blassnase: „Dein Tod heißt Ranja.“
Kapitel 39
Selten zuvor hatte Mia sich so darüber gefreut, jemanden wiederzusehen. Freudestrahlend lief sie auf und Huan und Ranja zu und fiel ihnen nacheinander um den Hal s. Da spielte es keine Rolle, dass sie alle von oben bis unten mit Blut, Schleim und anderem Dreck besudelt waren. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich euch noch mal wiedersehe.“, sagte sie, und ihr Gesicht strahlte pures Glück aus. Vom eiskalten Todesengel, der gerade noch auf dem Schlachtfeld getobt und gewütet hatte, war absolut nichts mehr zu sehen. Huan hatte derweil nur Augen für Mia. Nach all dem Schrecken und dem Elend, das er in letzter Zeit erleben musste, stellte sie einen echten Lichtblick dar. Einen wunderschönen Lichtblick. Leise seufzte er sehnsüchtig vor sich hin – und hoffte gleichzeitig, dass sie es bloß nicht wahrnahm. Das wäre ihm doch peinlich gewesen.
Ranja rang nach wie vor um Fassung. Den Ausgang der Schlacht hatte er völlig unwirklich wahrgenommen. Irgendwie war er nicht mehr er selbst. Es fühlte sich an, als beobachtete er sich von außen wie eine dritte Person. Und er konnte kaum glauben, was dieser Ranja alles zustande brachte. Hatte er sich tatsächlich diesem Hobgoblin gestellt und ihn im Kampf getötet? Hatte er endlich die Rache bekommen, die er sich so lange Zeit herbeigesehnt hatte? Jetzt, wo alles vorbei war, fiel die ganze Spannung von ihm ab, und er fühlte sich unendlich müde. Am liebsten hätte er sich einfach auf den Boden gelegt und geschlafen. Doch das ging noch nicht. „Wir haben es geschafft.“, flüsterte er immer wieder leise vor sich hin, „Wir haben es tatsächlich geschafft.“
Am Abend saßen die drei in einem gemütlichen Zimmer des Statthalter-Palastes zusammen und genossen ein deftiges Essen abgerundet mit einigen Gläsern edlen Weins. Ein heißes Bad und ein paar Stunden Schlaf hatten die gröbsten Anzeichen der Strapazen weggewischt. „Nun erzähl schon, wie es dir in der Zwischenzeit ergangen ist.“, drängte Huan Mia, die bislang eher zurückhaltend mit ihren Worten gewesen war. Ohne Eile legte sie ihr Besteck zur Seite und tupfte sich den Mund formvollendet mit einer Serviette ab. Noch ein Schluck Wein. Dann war sie bereit. „Ich musste zu meinen Wurzeln zurückkehren, um Klarheit zu
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