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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Muther
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wieder beruhigt hatte. Zum Glück dauerte dies nicht allzu lange. „Verzeiht nochmals. Ich bin nur eine alte Frau, die auch schon bessere Zeiten erlebt hat. Mein Name ist Lajun. Darf ich euch vielleicht auf eine Tasse Tee einladen?“ Dabei zeigte sie auf das Haus hinter ihr. Im Vergleich zu den meisten anderen Häusern im Viertel wirkte es gut erhalten und gepflegt. Keine kaputten Türen, Gardinen vor den Fenstern und im Vorgarten blühten sogar ein paar orangefarbene Blumen. Mia nickte. Lajun hatte sie neugierig gemacht. Also folgte sie ihr in das Haus.
     
    Auch drinnen sah alles sauber und ordentlich aus. Die alte Frau schien sich darauf zu verstehen, aus einfachen Dingen eine behagliche Umgebung zu zaubern. Mia war sich nicht sicher, ob Lajun das Haus alleine bewohnte. Augenscheinlich waren aber nur wenige Zimmer in Stand gesetzt. Durch einen Flur hindurch erreichten sie eine Art Wohnzimmer. Ein Sofa und zwei Sessel standen hier um einen winzigen Tisch aus Marmor herum. Vermutlich ein Relikt aus alten Zeiten. Lajun ging zum Ofen, auf dem ein Kessel mit heißem Wasser stand. In einer kleinen Kanne brühte sie frischen Tee auf. Wie üblich wartete Mia, bis ihr Gegenüber vom Tee getrunken hatte. Eine Verhaltensweise, die so fest in ihr verankert war, dass sie überhaupt nicht darüber nachdachte. Reiner Selbstschutz. Nun nahm auch sie einen Schluck. Der Tee schmeckte aromatisch und erfrischte sie angenehm. Jetzt konnte sie reden. „An wen erinnere ich euch?“, eröffnete Mia das Gespräch mit der nahe liegendsten Frage. „Es klingt sicher albern“, erwiderte Lajun mit einem leichten Zögern in der Stimme, „aber direkt nebenan lebte vor langer Zeit eine Frau, die genau so ausgesehen hat wie ihr. Das gleiche Gesicht, die gleichen Bewegungen, das gleiche glänzende Haar.“ „Pa Shi“, brach es aus Mia hervor. Erschrocken zuckte die alte Frau zusammen. Beinahe wäre ihr die Teetasse aus der Hand gefallen. „Wo, woher kennt ihr den Namen? Sie ist doch schon so lange tot. Oder seid ihr etwa ein…“ Anstatt den Satz zu Ende zu sprechen, zeichnete sie hastig Formen in die Luft. Ein Abwehrzauber? Mia spannte augenblicklich die Muskeln an– bereit, sich jeder drohenden Gefahr zu stellen. Doch es passierte nichts. Offenbar schien sie die Frau für einen Geist zu halten. „Keine Angst.“, sagte sie dann freundlich, aber bestimmt, „Ich bin nur ein Mensch aus Fleisch und Blut – genauso wie ihr. Und ich habe nicht vor, euch etwas zu tun.“ Lajun wusste nicht, was sie davon halten sollte, und schwieg erst einmal.
     
    „Und ihr habt Pa Shi und Wuan Ki tatsächlich gekannt? Sie haben nebenan gelebt, richtig?“ Mia bemühte sich, den Dialog nicht abreißen zu lassen. „Ich arbeitete damals als Hausmädchen hier in dieser Villa bei Familie Xan. Jeder kannte die Herrschaften der Familie Lun. So ein schönes Paar. Alle mochten und verehrten sie. Sie waren immer so freundlich, auch zu den Bediensteten. Ganz anders als die anderen Adeligen.“ Lajun geriet regelrecht ins Schwärmen und Mia wurde es ein wenig warm ums Herz. Vorsichtig bohrte sie weiter nach: „Was ist damals geschehen, als es brannte? Was habt ihr von dem Feuer mitbekommen?“ Die gute Stimmung löste sich augenblicklich auf. Lajun blickte sie an, als wäre ihr ein eisiger Hauch durchs Gesicht gefahren. Furcht stand ihr in den Augen. Für einen erschreckend langen kurzen Moment sagte sie nichts. Dann atmete sie tief durch. „Es war nachts. Ich habe geschlafen. Als es brannte wachten wir alle auf. Ein mächtiges Chaos. Alle liefen durcheinander, versuchten das Feuer zu löschen. Wir mussten auch zusehen, dass die Flammen nicht auf unser Haus übergriffen. Alles ging so schnell.“ Sie schnappte hastig nach Atem. Ihre Stimme überschlug sich fast. „Erst am nächsten Tag haben wir erfahren, dass die Herrschaften und auch das Personal ums Leben gekommen waren. Keiner hatte überlebt.“ Sie schluchzte und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Mia legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter. Ihre Fragen wühlten alte, verschüttete Gefühle wieder auf. „Hatten die Herrschaften nicht auch ein Kind? Eine Tochter?“ Ganz langsam hob Lajun ihr Gesicht und schaute Mia in die dunkelbraunen Augen. Es war, als verlöre sie sich für eine Winzigkeit darin. „Wu Jen.“, sagte sie schließlich, den Blick immer noch auf Mia gerichtet. „Wu Jen.“ Unwillkürlich schüttelte sie leicht mit dem Kopf. „Wie ist das möglich?“, flüsterte sie. Mia

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