Eiskalte Hand
seinem Gürtel.“ Mia nickte. „Gut.“, sagte sie, „Dann sind wir hier also fertig.“ Noch bevor sie den Satz beendet hatte, schob sie das Schwert durch die Kehle des Fremden. Lautlos und mit weit aufgerissenen Augen sackte er zu Boden. Niemand legte sich ungestraft mit ihr an. Fein säuberlich wischte sie das Blut an der Jacke des Mannes ab. Dann ging sie zu dem anderen herüber und zog das Plättchen aus dessen Gürtel. Es war klein und rund mit einem Loch in der Mitte. So wie die Glücksmünzen, die sich die quandalischen Frauen zum Frühlingsfest in die Haare einflochten. Nur die silbrig-grüne Farbe unterschied es davon. Mia wog es in der Hand. Es fühlte sich ein wenig warm an. Von einem Vibrieren war allerdings nichts zu spüren. Einem Impuls folgend, steckte Mia es in ihre Tasche. ‚Vielleicht kann mir das später noch behilflich sein.‘ Ein letztes Mal schaute sie sich in ihrer Wohnung um, dann kletterte sie aus dem Fenster, um sich auf den Weg nach Wan La zu machen.
Kapitel 12
Draußen, auf der anderen Straßenseite versteckte sich eine Gestalt in den Schatten. In der Hand hielt sie ein Büchlein fest. „Das Spiel kann beginnen“, murmelte sie zufrieden. Sie beobachtete, wie Mia das Haus verließ. Aus dem Kleinkind von damals, war eine Frau geworden, die mühelos Menschen umbringen konnte. Der Mann hatte lange darauf gewartet. Immer in den Schatten. Aber nicht mehr lange. Ein heiserer Husten durchschüttelte ihn. Während Mia kräftiger wurde, verschwand seine Kraft. „Es ist an der Zeit etwas dagegen zu unternehmen. Und Wu Jen wird mir dabei behilflich sein.“ Er wartete bis Mia um die Ecke verschwand, und schritt dann in die entgegengesetzte Richtung davon.
Kapitel 13
Der Norden Quandalas war eine unwirtliche und lebensfeindliche Gegend. Aufgrund einer Laune der Natur, die niemand so richtig verstand, wurde es im Sommer extrem heiß. Das war insofern ungewöhnlich, weil dieser Teil von Mondoria eigentlich in einer gemäßigten Klimazone lag. Viele hatten versucht, das Geheimnis hinter der mysteriösen Hitze zu lüften, aber keinem gelang es. Vielleicht gab es verborgene Vulkane oder etwas in der Art. Das Land war zerklüftet und brachte wenig zum Leben hervor. Dennoch war es für das Reich von großer Bedeutung. Zum einen aus strategischen Gründen; denn die Region bildete quasi eine Pufferzone zur nördlichen Ödnis, wo zahllose Grünhäute hausten, die immer wieder in Quandala einfielen, um zu morden, zu rauben und zu plündern. Zum anderen war die Gegend reich an Edelmetallen und anderen Bodenschätzen, die eine wesentliche Grundlage des Wohlstandes von Quandala ausmachten. Also hatte der Kaiser schon vor langer Zeit eine Kette von Garnisonen errichten lassen, um das Land zu schützen und zu kontrollieren. Um die Garnisonen herum hatten sich schnell Siedlungen gegründet. Mit den Soldaten in unmittelbarer Nähe fühlten sich die Menschen sicherer. Jede Ortschaft war dabei ähnlich aufgebaut. Auf einem Hügel stand die Garnison mit ihren Mauern und Wehrtürmen. Unten am Fuße des Hügels wohnten die Zivilisten und trugen durch ihre Arbeit mit dazu bei, die Soldaten mit allem Lebensnotwendigem und verschiedenen Annehmlichkeiten zu versorgen. Dafür erhielten sie Schutz und konnten auf zahlungskräftige Kundschaft bauen. Eine gelungene Symbiose, die auch in Wan La funktionierte.
Mia atmete tief durch, als sie die Garnison schon von weitem erblickte. Bald würde sie wieder unter Menschen sein. Ihre Reise verlief ereignislos, aber anstrengend, und die Hitze machte nicht nur ihr zu schaffen, sondern auch ihrem Pferd. So musste sie viel mehr Pausen einlegen, als sie ursprünglich geplant hatte. Die Reise zog sich hin wie ein Stück geschmolzener Käse. Der Anblick der Garnison weckte alte Erinnerungen in Mia. „Damals!“, entfuhr es ihr leise. Und augenblicklich musste sie grinsen. „Jetzt klinge ich schon wie eine alte Frau.“ Aber letztlich befand sie schon mitten drin – in ihrem „Damals“.
Der Angriff erfolgte ohne Vorwarnung. Urplötzlich waren die Barbaren da und stürzten sich auf die verblüfften Soldaten. Wo kamen die bloß her? Doch zum Nachdenken reichte die Zeit nicht. Mit ihren großen zweiblättrigen Äxten drangen sie unerbittlich auf die überrumpelten Soldaten ein. Deren Pferde bäumten sich auf. Einige der Reiter wurden abgeworfen. Und wer sich dabei nicht das Genick brach, der war ein leichtes Opfer für die schweren Waffen der
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