Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
Teppich in den Farben des Regenbogens. Zwei Teddybären und zwei nackte Puppen, Mädchen mit starrem Lächeln, saßen im Bücherregal. Gabriel Marklund nahm auf dem Sofa Platz und Brandt ihm gegenüber auf einem ebenfalls roten, großen Sessel.
»Hier sieht es nicht aus wie im Fernsehen«, sagte Marklund.
Brandt lachte.
»Das ist auch kein gewöhnliches Vernehmungszimmer. Hier werden die Kinder befragt.«
»Betrachten Sie mich etwa als Kind?«
Die Stimme war schleppend, und die Sätze waren etwas abgehackt, als würde er immer die letzte Silbe verschlucken.
»Nein, nein, natürlich nicht, aber der Raum war gerade frei, und außerdem ist es hier viel angenehmer als in den anderen Räumen. Stört es Sie?«
»Überhaupt nicht. Im Gegenteil«, erwiderte er und setzte sich auf dem Sofa zurecht.
Die Tür wurde geöffnet, und Pia Levin trat ein.
»Hallo«, sagte sie.
»Das ist Pia. Ich habe sie gebeten, der Vernehmung beizuwohnen«, sagte Brandt. »Jetzt warten wir nur noch auf Ihren Verteidiger.«
Levin gab ihm die Hand, und er erwiderte ihren Händedruck mit einer Kraft, die sie ihm nicht zugetraut hatte.
Im Zimmer wurde es still. Brandt vertiefte sich in ein paar Papiere, die sie mitgebracht hatte. Levin beobachtete Gabriel Marklund aus den Augenwinkeln. Er saß nachdenklich da. Das Schweigen schien ihm nichts auszumachen. Ab und zu zuckten seine Gesichtsmuskeln, und gelegentlich machte er eine unfreiwillige Bewegung mit dem Kopf, was ihm selbst aber nicht aufzufallen schien.
Nach fünf Minuten erhob sich Brandt und öffnete die Tür zum Korridor.
»Ich schau mal nach, wo er bleibt. Bin gleich wieder da«, sagte sie und verschwand.
»Soll ich Ihnen irgendwas holen, während wir warten?«, fragte Levin.
»Nein, danke. Ich habe ausgiebig gefrühstückt und vermute mal, dass mir der Staat später ein ordentliches Mittagessen ausgibt«, sagte er.
Es wurde wieder still. Nach einigen Minuten kehrte Brandt zurück.
»Es muss ein Missverständnis gegeben haben. Heute kommt kein Verteidiger. Wir müssen die Vernehmung aufschieben«, sagte sie.
Gabriel Marklund sah sie einige Sekunden lang an. Sein Kopf zuckte.
»Ich brauche keinen Anwalt. Sie können mich auch ohne einen vernehmen, wenn Sie das wollen.«
»Davon rate ich dringend ab …«, sagte Brandt.
Er hob die Hand.
»Sie machen doch wohl eine Videoaufzeichnung?« Er deutete mit dem Kopf zur Videokamera hinüber, die hinter Levin und Brandt auf einem Stativ stand.
»Ja«, sagte Brandt.
»Ich habe nichts zu verbergen. Stellen Sie nur Ihre Fragen. Ich vermute mal, dass Sie nicht vorhaben, mich vor laufender Kamera zu misshandeln«, sagte er und lachte.
Brandt quittierte dies mit einem schiefen Lächeln.
»Was meinst du?«, fragte sie Levin.
»Leg los.« Levin zuckte mit den Achseln.
»Na denn. Gabriel Marklund, das hier ist ein Verhör, und Sie haben sich unaufgefordert und auf eigene Initiative hin damit einverstanden erklärt, ohne Beistand eines Verteidigers vernommen zu werden. Stimmt das?«
»Ja. Was wollen Sie wissen?«
»Wie haben Sie herausgefunden, dass Johan Seger Ihr Vater war?«, fragte Ellen Brandt.
Er hatte die Besprechung im Gemeindehaus frühzeitig verlassen. Sie wollten nur noch etwas Ordnung machen, dann würden sie nachkommen.
Sie kamen nie.
Niemand wusste, wie das Feuer ausgebrochen war oder warum sie nicht entkommen konnten. Wahrscheinlich hatte es einen Kurzschluss gegeben, oder eine Kerze war umgefallen. Der Brandverlauf war explosionsartig gewesen. Sie hatten nicht leiden müssen. Man fand sie dicht nebeneinander auf dem Fußboden. Der Vater hatte seinen Arm um die Mutter gelegt.
Der Polizist und die Frau vom Jugendamt, die ihn zu Hause aufsuchten, hatten Mühe, es ihm zu erklären. Wussten nicht recht, wie sie es sagen sollten.
Nach dem Unglück war die Stille so durchdringend, dass sie ihm manchmal in den Ohren dröhnte. Ein Geräusch in seinem Kopf. Eine Antistille. Die Trauer um seine Eltern hatte mit voller Kraft zugeschlagen. Viele der Dorfbewohner waren jedoch für ihn da.
Er war nur ein Kind. Allein in dem großen Haus.
Aber nach wenigen Tagen, vielleicht nach einer Woche, hatte er sich zu seinem großen Erstaunen bereits an das Leben ohne seine Eltern gewöhnt.
Dass er keine Trauer mehr empfand, beschämte ihn.
Ein paar Monate vergingen.
Gabriel Marklund hatte immer schwere Nächte gehabt. Die Schmerzen hatten sich nie leicht abschütteln lassen. Aber in dieser Nacht waren sie ungewöhnlich beharrlich.
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