EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
sogar bei den Großeltern! Und sie würde sich um ihre kleine Schwester kümmern und nicht mehr die Zeit finden, zu ihrer Lieblingsbank zu gehen.
Es wird Zeit einzugreifen, dachte er. Ben verdiente eine Lektion, noch besser wäre es, ihn verschwinden zu lassen. Und Anna? Sie wollte er heranwachsen sehen. Sie war jetzt neun Jahre. Er war ein Prinz, ganz besonders für Katharina, und nun auch für Anna. Irgendwann würde er ihre Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit stillen.
Kapitel 12
Unruhig wartete Jakob in seinem Haus auf den Einbruch der Dunkelheit. Er brauchte die Dunkelheit, sie war seine schützende Decke gegen das grelle Tageslicht. Nicht dass es seine Augen blendete, sehr wohl aber seine Seele, in der alles um Katharina kreiste.
Dieses Geturtel mit Severin ging ihm auf den Geist. Er dürstete nach ihrer Aufmerksamkeit, er vermisste sie immer drängender. Tagsüber traf er sie kaum noch, und an ihrem Lieblingsplatz hatte er sie auch schon lange nicht mehr gesehen. So ging es nicht weiter. Sie war viel zu schade für diesen Jungen. Ein Tolpatsch, der mit ihr Hand in Hand durch Freising ging, als wäre sie sein Eigentum. Was bildete der Junge sich eigentlich ein?
Seine Aufmerksamkeit galt von Geburt an diesem einzigartigen Wesen. Nur sie vermochte in ihm diesen Sturm unsagbar süßer Gefühle zu entfachen, die ihn ahnen ließen, wie entrückt vor Glück das Leben sein könnte. Sie war sein unberührter Engel. Noch war sie heilig. Niemals würde er zulassen, dass irgendein Dahergelaufener sie ins Unglück stürzte!
Entrückt, ja, entrückt vom Tageslicht und der Sonne der Sterblichen wollte er mit ihr leben, in der Dunkelheit der Leidenschaften. Im Augenblick der größten Hitze vollzog sich die Verschmelzung der Dämonen mit den Engeln. Nur in der Vereinigung mit einer Jungfrau war dieser Moment der höchsten Erfüllung möglich.
Leise schlich er sich aus dem Haus, vorbei an dem Gartenhaus und der Sonnenuhr. Alles war totenstill, kein einziger Vogel sang. Die Welt schien in einen Mantel des Schweigens gehüllt, als er in seinen Wagen stieg, um einen Mann aufzusuchen, der von Dämonen besessen war. Er würde diesem Widerling eine Lektion erteilen.
***
Viertel nach neun Uhr abends. Ben drehte den Hahn zu und trat aus der Dusche des schäbigen Hotelzimmers. Heißes Wasser tröpfelte auf den Boden, während er nach seinem Handtuch griff. Er wickelte es sich um die Taille und durchquerte das Zimmer. Die junge Prostituierte war bereits gegangen. Sie war ihr Geld nicht wert gewesen. Man sollte keine Frau unter zwanzig vögeln.
Nachdem er in seine Unterhose geschlüpft war, hörte er ein Geräusch und schaute auf. Er grinste. Die Kleine hatte wohl immer noch nicht genug. Na, dann!
Er legte sich wieder aufs Bett und wartete darauf, dass sie das Hotelzimmer betreten würde. Er lag auf dem Rücken, starrte in die Dunkelheit, lauschte dem Wind, der am Fenster rüttelte, und der Stille, die ihn umgab, und dabei döste er ein.
Plötzlich schreckte er hoch. Jede Faser seines Körpers war angespannt, alles in ihm war in Alarmbereitschaft. Er hörte das Knarren des Holzbodens. Verzweifelt versuchte er auszumachen, was in dem Zimmer vor sich ging, doch die Nachttischlampe war defekt, und die Dunkelheit hatte eine dämpfende Wirkung. Die Geräusche verschmolzen miteinander. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Seine Hände strichen über die Bettdecke und begannen den gestärkten Stoff zu kneten, so dass seine Finger darauf ein kratzendes Geräusch machten.
Dann war die Decke plötzlich weg. Jemand hatte sie von seinem Bett gerissen. Einen Moment lag er entblößt und zitternd vor Kälte da. Er hörte ein seltsames Pfeifen in der Luft. Eine Hand traf seine Schläfe. Ben war so perplex, dass er sich anfangs kaum wehrte. Er dachte nur an Mirja und Katharina, die gerade versuchten, ihn umzubringen. Da hörte er das leise, böse Lachen und wusste, dass er sich diesbezüglich geirrt hatte.
***
Jakob schloss die Tür des Hotelzimmers hinter sich und verriegelte sie. „Du wirst mein Mädchen nie wieder berühren“, sagte er mit ruhiger Stimme. Dann drehte er sich langsam zu Ben um.
Mit einem Satz war er bei ihm, hielt ihn fest und lachte laut auf, als die Spitze seines Messers das rechte Auge traf.
Er presste ihm den Mund zu, um seinen Schrei zu ersticken. Das Auge lief aus wie eine geplatzte rote Qualle. Mit der anderen Hand drehte er die Klinge weiter in die Tiefe
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