EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
deshalb müssen wir sie mundtot machen.“
Lukas hatte verstanden.
„Die Frau, die ich hierhergebracht habe, trieb es auch mit allen. Und sie habe ich mundtot gemacht. Hast du ihren Mund gesehen?“
Lukas’ Kopf wackelte.
„Na also!“
Ja, Jakob traf die richtigen Entscheidungen, er war ein Gott wie der römische Kaiser.
„Ich … ich muss jetzt nach Hause“, murmelte er und machte einen Schritt zur Tür.
Jakob hielt ihn einen Moment am Arm fest. „Sind wir jetzt Freunde, Lukas?“
Er wurde vor Verlegenheit rot und blickte zu Boden. „Ja-ja.“
„Von jetzt ab werde ich dich jeden Donnerstagnachmittag besuchen, mein Sohn“, sagte Jakob ungewöhnlich sanft.
Lukas starrte den Mann, der ihn gerade mein Sohn genannt hatte, mit offenem Mund an. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. „Dei-dein Freund und So-sohn?“, stotterte er.
„Das bist du, Lukas.“
Er kicherte. „Da-dann bi-bi-bi-bist du jetzt mein Pa-pa-papa!“
Jakob umarmte ihn. „Und jetzt geh, mein Sohn. Deine Tante wartet bestimmt mit dem Essen auf dich. Und vergiss nicht: Wir haben jetzt ein Geheimnis, und du darfst mit niemandem darüber reden!“
Lukas nickte heftig und hob die Hand zum Schwur. „Ich schwö-schwöre, Ja-jakob! Ich bin dein Sohn! Und ein Sohn hält, wa-was er verspricht!“
Jakob lächelte. Er wusste, wie man mit den Infantilen dieser Welt umzugehen hatte.
Kapitel 11
Heute ist ein besonderer Tag. Anna kommt nach Hause. Ich lebe jetzt bei Opa Alexe und Oma Nina, nachdem Mama meinen vorübergehenden Umzug schließlich auch für eine gute Idee hielt. Meine Lehrerin hat mit Mama und den Großeltern gesprochen, weil ich schlechte Noten habe. Großvater wird mir bei den Aufgaben helfen. Ich glaube, er ahnt, dass Mama sich von Ben trennen möchte. Er hat Mama angeboten, auch Anna eine Weile zu sich zu nehmen. Opa ist ein Genie.
Die schattige Weinlaube meiner Großeltern ist mein Lieblingsplatz geworden. Hier kann ich ungestört lesen oder meinem Tagebuch meine Gedanken anvertrauen, und dabei auch die Einfahrt im Auge behalten, wo Großvaters dunkelblaues Auto jeden Augenblick auftauchen muss. Die Weinlaube ist ein herrlich stiller Platz. Hier beobachtet mich auch niemand. Auf der kleinen Bank am Weiher hatte ich manchmal das Gefühl, und deswegen gehe ich dort nicht mehr gerne hin. Ich glaube, es ist Ben, der dort auf der Lauer liegt und auf mich wartet .
Katharina legte den Stift beiseite und grübelte. Wann hatte Ben begonnen, auch sie zu quälen? Vor vier, fünf Jahren? Oder war es noch länger her? Sie wusste es nicht mehr; nur an den ersten Schlag in ihr Gesicht erinnerte sie sich genau.
Sie hatte auf dem Bett gesessen und in ihr Tagebuch geschrieben. Als Ben in ihr Zimmer kam, legte sie den Stift beiseite und sah ihn fragend an. Er sagte kein Wort, sondern fuhr mit seinem Finger in aufreizender mechanischer Pedanterie über die Nachtkonsole neben dem Bett. Sie achtete stets darauf, dass alles an seinem Platz stand: ordentlich, staubfrei, perfekt, so perfekt wie der mit dem Lineal gezogene Haarscheitel ihres Stiefvaters. Aber trotzdem, sie musste ein wenig Staub übersehen haben.
Übergangslos schlug er ihr ins Gesicht, wie Feuer brannte der Schlag. Wortlos nahm sie das Staubtuch aus der Schublade und wischte über die Nachtkonsole. Er stand ganz nah hinter ihr, so dass sie seinen Atem riechen konnte. Im Raum herrschte eine unerträgliche Stille.
Ben hob seine Hand, berührte vorsichtig eine Strähne ihrer blonden Haare, die in Locken bis zur Taille fielen, und lachte leise.
Sie drehte sich um. Als sie seine Absicht in seinen Augen las, öffnete sie den Mund, um zu schreien, doch er verließ das Zimmer.
Sie ging ins Bad und betrachtete im Spiegel die Spuren seiner Misshandlung. Die Tränen hatten feuchte Spuren gezogen. Sie versuchte, mit kaltem Wasser den Schmerz zu lindern, und steckte ihren Kopf so lange unter den Wasserhahn, bis sie bis aufs Unterhemd durchnässt war. Mit zitternden Händen zog sie sich aus, wickelte ein Handtuch um den Kopf, schlüpfte in einen Schlafanzug und ging in ihr Zimmer zurück. Sie legte sich ins Bett und nahm Jasper in den Arm.
Je älter sie wurde, desto häufiger bedrängte er sie. Er kam, während sie schlief, weckte sie auf und schaute mit lüsternem Blick auf sie herab, bis sie erwachte und verstört die Decke hochzog und mit ängstlichen Augen verfolgte, wie er hochmütig lächelnd das Zimmer verließ.
Sie wünschte, sie wäre weit weg von allem. Weit weg von ihrer
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