EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
Kollegen in Grünwald. Es war Zufall, dass ich an dem Abend Dienst hatte und einen Freund vertreten habe. Versuche Frau Wendel telefonisch zu erreichen. Wir sollten uns mal mit ihr und ihrer Tochter unterhalten. Nein. Sag ihr, dass ich zu ihr unterwegs bin. Diese Ähnlichkeit mag ein Zufall sein, aber irgendetwas sagt mir … Auch Katharina Wendel trägt ihr Haar zur Seite gekämmt. Vielleicht treibt sich dieser Vater noch irgendwo hier herum, und die von der Vermisstenabteilung haben gepennt. Niemand verschwindet einfach so spurlos.“
***
Katharina nahm den Koffer und ging die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Nur noch diese eine Nacht, dachte sie, dann bin ich bei Jörg und fange ein neues Leben an. Sie schaute auf die Uhr. Drei Uhr. Nur noch fünf Stunden. Erschöpft, aber erleichtert legte sie sich auf die Couch und fiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
Wenig später wachte sie mit einem Ruck auf und fand sich in völliger Dunkelheit wieder. Ihr Herz hämmerte, ihre Bluse war schweißnass. War da ein Geräusch gewesen? Das Klirren von Glas, Schritte? Ben? Sie wagte nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen, aus Angst, die Geräusche zu überhören, mit denen Ben sich verriet.
Durch das Fenster fiel das Licht eines vorbeifahrenden Autos.
Sie erhob sich von der Couch.
Plötzlich hörte sie das Quietschen der Ketten von der Verandaschaukel und Geräusche, als würde jemand die Haustür öffnen und schließen. Sie erkannte das leise Knarren.
Sie erschauderte. Irgendjemand war im Haus. Bis auf das durch den Vorhang sickernde quecksilbrige Mondlicht war es stockdunkel. Katharina wusste: Jetzt war jener Augenblick gekommen, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte.
Mama, hilf mir!
Sie hörte den Atem des Schattens und rührte sich nicht. Eine Hand berührte ihr Haar, Atem streifte ihren Nacken. Sie roch den sauren Schweiß. Sie kannte den Geruch und das Schnauben, beides war ihr vertraut. Und sie wusste, sie beide waren allein.
„Steh auf“, wisperte er.
Sie gehorchte. Ihr Herz raste, und sie schloss für einen Moment die Augen. Dann holte sie tief Luft und drehte sich um.
Im sickernden Mondlicht sah sie die Silhouette. Vor ihr stand der Wahnsinn. Das Weiße der Augen leuchtete in der Dunkelheit, ein Blick voller Hass. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, ihn zu erkennen. Aber das konnte doch nicht sein …
Sie hielt den Atem an. „Warum?“, flüsterte sie heiser.
Sie spürte den Einstich. Wie eine Betrunkene drehte sie sich um ihre eigene Achse und schlug hart und schmerzhaft gegen die Tischkante.
Ein Stuhl fiel hinter ihr zu Boden.
„Nein!“, schrie sie in panischer Angst. „Bitte nicht!“
Ich werde es nie schaffen, die Haustür zu erreichen, dachte sie. Das Leben lag nur wenige Schritte von ihr entfernt, bis zur Klinke dieser Tür.
Sie taumelte. Ich schaffe es nicht. Sie spürte erneut den Einstich einer Nadel, nur eine Sekunde lang. Dann verlor sie das Bewusstsein.
Als sie aufwachte, konnte sie sich nicht mehr bewegen. Ihr Gehirn versagte, alle Signale waren blockiert. Sie hörte ihren Atem wie ein Schluchzen. Sie hörte, dass die Gestalt mit ihr sprach, verstand die Worte aber nicht.
Schwach roch sie den betäubenden Duft von Äther, und der beklemmende Gedanke stieg in ihr auf, dass sie jetzt sterben würde.
Katharina spürte immer noch keinen Schmerz. Obwohl sie die Arme und Beine wieder bewegen konnte, fühlte sie diese betäubende Schwere. Sie lag völlig entkleidet auf einem harten Tisch. Es war kalt unter ihrem Rücken. Sie lag auf einer Folie und wusste nicht, wer sie auf den Tisch gelegt und ausgezogen hatte.
Er streichelte über ihren flachen Bauch, dann glitten seine Hände zu ihren Brüsten und berührten die Brustwarzen. Die Hände fühlten sich weich und ölig an, als wären sie eingecremt.
Die Vorhänge bewegten sich im kalten Windhauch, der durch das geöffnete Fenster wehte. Ihre sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit war wieder zurückgekehrt.
Und dann erkannte sie, wer vor ihr stand.
Seine Stimme klang seltsam träge und schleppend. „Wieso fickst du diesen Arzt von der Klinik, diesen Waschlappen, und machst mit ihm Konversation, obwohl du mir gehörst?“ Er lachte gurgelnd.
Katharina öffnete den Mund, um zu schreien. Seine Hand holte aus und packte eine Strähne ihres langen blonden Haars. Das Zerren erstickte ihren Schrei zu einem Keuchen. Seine freie Hand umfasste ihre Kehle und drückte zu.
„Warum hast du mir das angetan? Wie kannst du es wagen,
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