EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
meinen Besuch. Bitte, versteh mich doch.“
„Aber das Convento ist so weit weg, und ich habe dich lieber in meiner Nähe!“
Anna sah ihn nachdenklich an.
„Ich kann dich dort nicht beschützen“, sagte er leise.
„Das konntest du hier auch nicht.“
Er wurde blass. „Verdammt noch mal, Anna, du gehörst zu mir.“
„Vielleicht irgendwann.“
Jetzt sah er sie entsetzt an.
„Entschuldigung. Ich wollte dich nicht verletzen.“
„Schon gut“, sagte er tonlos. „Wann möchtest du fahren?“
„Morgen Abend fährt ein Zug direkt nach Neapel. Pater Mateo wird mich dort vom Bahnhof abholen.“
Max nickte. „Hättest du Lust auf einen kleinen Vorgeschmack?“, fragte er.
„Du meinst eine Pizza Capricciosa?“
„Ja.“
„Okay.“
Wortlos ging er an ihr vorbei und zwinkerte ihr von der Haustür aus zu. „Ich bin in zehn Minuten zurück.“
Anna ließ sich auf die Couch fallen und starrte an die Decke. Als er das Gartentor geschlossen hatte, richtete sie sich auf, zog das Sofakissen hinter ihrem Kopf hoch und presste es sich aufs Gesicht. Mit dem Gewicht ihrer Unterarme drückte sie es auf ihre Nase und ihren Mund und fing an zu schreien.
Kapitel 36
Van Cleef hatte in seinem Dienstzimmer die Fenster weit geöffnet und blickte in den Regen hinaus. Er wollte sie gerade schließen, als das Telefon läutete und sich eine Frauenstimme meldete.
„Veronika hier. Könntest du bei uns in der Gerichtsmedizin vorbeischauen? Ich habe was Interessantes für dich.“
„Ich bin gleich bei euch.“
Er legte auf und war froh, seine Gedanken durch einen winterlichen Spaziergang zur Pathologie klären zu können.
Dort angekommen, schenkte Veronika ihm einen Kaffee ein.
„Das Opfer wies neben Ketamin und Rompun auch winzige Konzentrationen von Strychnos toxifera im Blut auf, das Gift einer südamerikanischen Lianenart“, sagte sie. „Die Indianer Südamerikas nutzen diese hochgiftige Substanz für die Jagd. In manchen Kriegsgebieten wird das Pfeilgift sogar als Waffe gegen die Besatzungstruppen genutzt. Das Gift ist nur in der Blutbahn hochtoxisch, so dass der Täter unbedenklich weiter an dem Opfer knabbern konnte.“
„Mein Gott, Veronika, ihr Pathologen seid so abgebrüht.“
„Das Gift blockiert die Übertragung der Impulse zwischen den motorischen Nerven und der Muskulatur und wird als Relaxans bei Operationen eingesetzt. Wenn es überdosiert wird, kommt es zum Atemstillstand.“
„Das spricht für einen Täter mit medizinischen Kenntnissen.“
„Auf jeden Fall. Vielleicht kommt der Täter aus dem Krankenhausbereich, oder er ist ein Jäger.“
„Da könntest du recht haben. So etwas hatte der Kriminalpsychologe bei den früheren Fällen auch schon vermutet. Welche Wirkung wollte er aber mit der Beigabe des Indianergifts erzielen?“
„Verlust der Persönlichkeit, Sinnestäuschung. Das gesamte Spektrum, um eine Frau gefügig zu machen.“
„Was kannst du mir sonst noch sagen? Was ist mit der rechten Hand?“
„Säuberlich abgetrennt. Blaue Faserreste an den Wundrändern. Wird vom Labor noch analysiert. Was macht übrigens deine Komapatientin? Gibt’s was Neues?“
„Die junge Frau steht im Zusammenhang mit dieser Geschichte. Schwester eines früheren Opfers, Bisswunden, fast dasselbe Bild. Vielleicht kann ihre Freundin uns weiterhelfen.“
„Ist sie hübsch?“
„Wer?“
„Die Freundin.“
„Was soll das?“
„Nichts. Nur haben deine Augen angefangen zu glänzen, als du vor vier Tagen von ihr gesprochen hast. Ich erinnere mich nicht, wann du das letzte Mal so reagiert hast.“
„Veronika, ich kenne sie kaum. Ach, was soll’s? Ja, ich finde sie atemberaubend.“
Veronika lächelte freundlich. „Das klingt wirklich vielversprechend. Wurde auch Zeit, dass jemand dein Blut in Wallung bringt. Du solltest mal wieder so richtig ausgiebig vögeln. Und jetzt verschwinde. Draußen wartet ein Skalpellredakteur.“
„Ein was?“
„Ein ehemaliger Chirurg, der neuerdings für die Medical Tribune schreibt. Ich glaube allerdings, er hat mehr Interesse an meinem Fleisch.“
Van Cleef lachte, ging wieder und lächelte draußen den gutaussehenden Journalisten an.
Er konnte nicht glauben, dass er aus dem Mund dieser eleganten Frau soeben den Ausdruck vögeln gehört hatte.
Kapitel 37
Liebevoll hatte Anna sich im Wagen von Max verabschiedet. Sie wollte nicht, dass er sie zum Zug begleitete, und war froh, dass er ihren Wunsch respektierte. Das Gepäck war bereits im Convento, so
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