EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
das Lächeln seiner Mutter und weich wie ihre Haut. Die Nacht verschattete seine Augen, bis sie die dunkle Farbe seiner Mutter annahmen.
„Hallo.“
Erstarrt blieb er am rutschigen Ufer stehen. „Mama?“
Sie eilte auf ihn zu, schob sich durch die Weidenwedel, ihr Haar in dunklen Locken über die Schultern gebreitet. Sein vom Kummer betäubtes Herz erwachte mit einem wilden Satz.
Kapitel 11
München
„Es ist besser, wenn ich dich zu Kreiler begleite“, sagte Max.
„Weshalb? Ich bin doch keine Gefahr für die Allgemeinheit“, widersprach Anna.
Max blieb ruhig. „Ich würde liebend gern wissen, wie sich ein Psychiater dein Verhalten in Italien erklärt.“
„Was? Du spinnst. Nichts war in Italien, überhaupt nichts!“ Sie war wütend, wobei sich gleichzeitig eine merkwürdige Kälte in ihr ausbreitete.
„Schrei nicht so, Anna. Katharina muss nicht unbedingt jeden Wortwechsel mitbekommen. Und ich spinne nicht! Du hast geglaubt, unser Hund wäre dieser …“
„Wag es nicht, seinen Namen auszusprechen, Max Gavaldo!“
„Ich bin nicht derjenige, der Hilfe benötigt“, sagte er mit ruhiger Stimme, „sondern du.“
Eine Kaffeetasse zerschellte vor seinen Füßen. „Was bildest du dir eigentlich ein? Wie kannst du mich so verletzen?“
Er seufzte. „Das war nicht meine Absicht. Bitte, beruhige dich. Also gut. Wenn du allein gehen möchtest, dann geh. Wenn du möchtest, dass ich dich dorthin begleite, dann mache ich auch das.“
Seine dunklen Augen musterten sie.
„Ich gehe allein zu Kreiler. Es ist meine Therapie und nicht deine!“, sagte sie grimmig, drehte sich abrupt um und schaute aus dem Fenster.
Sie kochte vor Wut und fragte sich, woher Max das Recht nahm, sie zu bevormunden. Wusste er denn nicht, dass sie unter zu viel Druck stand? Es war alles zu viel, und es war nicht ihre Schuld. Eine zu große Last ruhte auf ihren Schultern. Jakob trieb sich immer noch hier herum. Hatte Benedikt van Cleef nicht behauptet, dass er ihn erschossen hatte? So ein Blödsinn!
Jakobs dunkle Blicke, die sie in Italien durchbohrt hatten, sein warmer Atem an ihrem Ohr, das waren doch keine Halluzinationen!
Sie zwang sich, Max anzusehen. Er stand noch immer da und schaute sie seltsam an. Sie hielt seinem Blick lange stand, streckte ihm dann doch ihre Hand entgegen und signalisierte, dass er Geduld mit ihr haben musste.
Er kam auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Tut mir leid, Anna. Ich wollte keinen Streit.“
Sie begleitete ihn zur Haustür, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. „Nein, Max, es ist meine Schuld“, sagte sie. „Wenn ich dich küsse, kann ich den blauen Himmel sehen.“
Er lächelte. „Das hast du lange nicht mehr gesagt.“
„Ich weiß.“
Sollte heute nicht einer dieser magischen Herbsttage werden, an denen die Zeit stillzustehen schien?, fragte sie sich, nachdem Max die Auffahrt verlassen hatte. Sie betrat die Terrasse und schaute auf den Starnberger See. Bei Föhnwetter wie heute hatte man eine herrliche Aussicht auf die Berge.
Leben, wo andere Urlaub machen, hatte Max gesagt, als er die Villa erworben hatte. Sie ließ ihren Blick über den Garten schweifen: die perfekt gepflegten Wege, auf denen Steinstufen aus rötlichem Granit die einzelnen Komponenten des Gartens miteinander verbanden, den kleinen Rosengarten, die tiefer angelegte Spielwiese mit einer Hüpfburg, einer Schaukel und einer alten Eiche mit einem Baumhaus sowie den Swimmingpool mit dem arabischen Pavillon. Weiter hinten arbeitete Mathias Rommel, den Max angestellt hatte, um den Garten in Ordnung zu halten und das Haus zu hüten, wenn die Familie auf Reisen war. Er erkannte sie, wie sie auf der Terrasse stand, hörte kurz mit dem Rechen des Laubs auf und winkte ihr zu. Gedankenlos hob sie die Hand.
Rommel hatte nach seiner Anstellung die Wohnung über der Garage bezogen, und es tat gut, den Mann in ihrer Nähe zu wissen. Umso mehr jetzt, wo Jakob wieder in ihr Refugium eingedrungen war, hier am Starnberger See. Sie konnte ihn immer noch sehen. Nicht sein Gesicht, nicht so deutlich wie Mathias da vorne, aber seinen Schatten schräg hinter ihr, sein Haar, das ihr Gesicht streifte, die Wärme seines Atems an ihrem Ohr.
Das Beste wäre, den heutigen Tag behutsam anzugehen.
***
Kreilers Villa war in Nebelschleier gehüllt. Anna schob den Riegel des niedrigen Tors beiseite und ging die Eingangsstufen hinauf. Die schwere Haustür war verschlossen. Sie klingelte. Durch die Sprechanlage forderte eine
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