EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
dir helfen?“ Nur ein Flüstern. Er berührte ihre Brustwarzen und blickte dabei zur Seite. „Sag es!“, zischte er.
Hell und durchdringend schallte ihr Schrei durch die Stille des Hauses. Anna öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder vor dem grellen Blitzlicht der Erinnerung. Nein! Bitte nicht wieder eine Erinnerung! Mit einem leisen Stöhnen öffnete sie die Augen ein zweites Mal.
Sie lag auf den Fliesen des Badezimmers und schaute sich verwirrt um. Sie fror. Wie lange liege ich schon hier? Sie betrachtete ihre Hände, starrte auf das Nachthemd. Kein einziger Blutspritzer war zu sehen. Sie zog sich vorsichtig am Rand der Badewanne hoch. Auch die Badewanne war sauber und leer. Kein Wasser tropfte aus dem Hahn.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch.
In der Tür stand Max mit Katharina auf dem Arm, die an ihrem Daumen lutschte.
Das Mädchen sah sie seltsam vergnügt an und drückte ihre Puppe fest an ihren kleinen Körper, eine Puppe in einem getupften Kleidchen, die ihre Hand nach ihr ausstreckte.
***
Zwei Stunden später erwachte sie erneut in ihrem Bett. Max murmelte etwas, was sie nicht verstand, und brachte sie damit in die Gegenwart zurück. Sie spürte seinen Atem. Behutsam bewegte sie den Arm über die Bettdecke und legte ihre Hand in seine.
Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, da sie sich hatte zwingen müssen, sich normal zu benehmen und so zu tun, als wüsste sie nicht, dass Jakob, dieser Hurensohn, sie tot sehen wollte – und womöglich auch Max. Vielleicht sogar ihr kleines Mädchen. Ja, vielleicht sogar Katharina!
Max fiel es schwer, seine Gefühle zu verbergen. Schließlich hatte sie vergangene Woche seinen Hund erschossen.
Ha! Dass ich nicht lache, dachte sie verächtlich. Der Rottweiler war doch schon lange nicht mehr Max’ Hund gewesen. Er hatte unter Jakobs Einfluss gestanden. Ihr Ehemann und sein lächerlicher Köter konnten sie – und ihre Tochter Katharina, die friedlich in ihrem Bett schlief – nicht vor Jakob schützen. Max würde alles vermasseln und sie in Gefahr bringen. Deshalb hatte sie geschossen. Sie hatte die Sache selbst in die Hand genommen und den schwarzen Hund getötet. Weshalb hatte dieses Viech sich auch mitten in der Nacht in ihrem Garten herumgetrieben?
Seltsam war es, höchst seltsam. Dabei war sie sich so sicher gewesen, dass Jakobs Blicke sie durchbohrt hatten, als sie am Fenster gestanden hatte. Hatte der Hund ihn vielleicht begleitet? Ja, so musste es gewesen sein. Nur so konnte es gewesen sein. Sie hatte sich also doch nicht geirrt.
Sie schaute auf und merkte, dass Max wach war. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. Er musterte schweigend ihr Gesicht. Sie verspürte den Drang, sich wegzudrehen, zwang sich jedoch, seinem Blick zu begegnen.
„Ich denke, wir sollten nach Hause fahren“, sagte er so leise, dass sie nicht sicher war, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
Sie rührte sich immer noch nicht, atmete kaum, dann drehte sie den Kopf weg.
„Anna?“ Max streichelte ihre Schulter.
„Ich …“ Sie drückte ihr Gesicht ins Kissen. Ihre Wangen waren heiß und trocken. Was sollte sie sagen? Schließlich wandte sie sich ihm zu. „Du hast natürlich recht, Max. Man muss die Vergangenheit begraben“, sagte sie und dachte: Ich muss raus aus diesem Haus!
„Du kannst dich immer auf mich verlassen. Egal, was geschieht. Ich liebe dich.“
Tränen traten ihr in die Augen. Sie starrte zur Decke. Wenn die Dinge doch so einfach wären, wie er glaubte. Doch sie sagte nur: „Ich liebe dich auch, Max.“
Es war, als würden ihr die Worte aus dem Herzen gerissen, zurück blieb eine klaffende Wunde. Ich bin wie eine zu weit aufgezogene Uhr, zum Zerreißen angespannt und plötzlich so zerbrechlich, dass Max es wohl mit der Angst zu tun bekommt.
Er wiegte sie in seinen Armen, flüsterte beruhigende Worte, streichelte zärtlich ihren Rücken, während sie weinte und schluchzte. Er zeigte keinerlei Ärger oder Fassungslosigkeit, sondern ließ sie jetzt reden und wusste, dass ihre Sätze eine Betäubung gegen den Schmerz waren, eine Mauer aus Worten, die sie vor dem Augenblick schützen sollte.
Irgendwann flossen keine Tränen mehr.
***
München, Freitagnacht
Irgendetwas im Haus war plötzlich verändert. Konstantin Kollmann stellte seine Schuhe nicht mehr in den schwarz lackierten Dielenschrank, sondern ließ sie im Flur stehen. Er wollte die Schranktür nicht mehr öffnen. Er glaubte, quietschende Geräusche zu hören, als ob sich im
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