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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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die Flammen. Hendrik hatte Clasens Schlauch genommen und hielt den Wasserstrahl auf das brennende Gebäude gerichtet, ohne eine nennenswerte Wirkung erkennen zu können.
    Er deutete auf das Wohnhaus, dessen Reetdach sich unter einer mächtigen Schneedecke duckte. „Einen Vorteil hat der Schnee. Die Funken können nichts anrichten. Ich glaube nicht, dass das Haus gefährdet ist.“
    Sven nickte. „Jedenfalls nicht, solange der Schnee nicht runterrutscht und der Wind nicht dreht.“
    Susannes Atem produzierte Nebelwolken in rascher Folge. Sie hielt sich an Jan fest, während ihr Blick auf das Feuer geheftet war. Die Schminke war verlaufen, das Lippenrot verschmiert und ihr Gesicht zu einer Grimasse entstellt. Sie stierte in das Inferno. „Ich bin schuld“, murmelte sie. „Wenn Vater etwas zustößt ... Ich bin schuld ...“ Ihre Stimme hob sich zu einem Schrei: „Und ihr ... ihr seid ... ihr habt ...“
    Das Gebrüll der eingeschlossenen Tiere schwoll an und übertönte ihre Worte. Plötzlich stieß sie Jan von sich und rannte los. Schnell hatte sie den halben Weg zum brennenden Stall zurückgelegt. Dann endlich reagierte Sven. Er setzte ihr nach. Doch bevor er sie packen konnte, war sie im Qualm verschwunden, der aus der Stalltür quoll. Ohne nachzudenken, folgte er ihr in die Dunkelheit.
    Blind stolperte er durch den beißenden Rauch. Beim Versuch, sich vorwärtszutasten, blieb sein Fuß hängen. Er strauchelte, kam wieder auf die Füße und rief nach Susanne. Aber er brachte nicht mehr als ein Krächzen hervor. Sie würde nach ihrem Vater suchen wollen. Und der hatte wahrscheinlich vor, die Tiere aus dem Stall zu lassen. Sven orientierte sich am Gebrüll der Kühe, tastete sich in die Richtung vor, aus der das infernalische Angstgeschrei zu kommen schien. Plötzlich brach ein Stampfen und Poltern los. Im nächsten Augenblick wurde er zur Seite gestoßen. Eine dunkle Masse drängte sich an ihm vorbei, quetschte ihn gegen die Wand und wogte brüllend in Richtung des hellen Rechtecks der Stalltür. Die Tiere sind los. Er hat es geschafft . Erneut rief er nach Susanne, rechnete jedoch nicht damit, dass seine Stimme oder ihre Antwort das Getöse der flüchtenden Jungrinder und Milchkühe übertönen konnte.
    So schnell wie er gekommen war, war der Spuk vorbei. Auch der Rauch schien sich zu verflüchtigen. Plötzlich erfüllte das Zischen und Heulen der Flammen die Luft. Das Dachgebälk des Stalles ächzte und knackte. Knisternd fuhren Flammen in Dachsparren und Stützbalken. Svens Lunge brannte, in seinem Kopf ballte sich ein dumpfer Druck zusammen, gleichzeitig spürte er ein aufkommendes Schwindelgefühl. Ich muss hier raus. Bevor ich die Besinnung verliere.
    Als seine Augen nach dem Ausgang suchten, entdeckte er den Körper. Susanne lag nur wenige Schritte entfernt, seltsam verkrümmt, die Arme wie zum Schutz über den Kopf gelegt.
    Sven wankte zu ihr, drehte sie auf den Rücken, sah Blut auf ihrem Gesicht und schreckte zurück. Aber dann erkannte er, dass sie atmete, und ihn erfüllte nur noch ein Gedanke. Sie ins Freie zu bringen. An die Luft. Atmen bedeutete Leben. Auch für ihn.
    Später hätte er nicht mehr sagen können, wie er es geschafft hatte, den leblosen Körper aus dem brennenden Gebäude zu ziehen. Seine Erinnerung setzte ein, als er hustend und nach Atemluft ringend im Schnee auf dem Hof des Anwesens lag, über ihm das besorgte Gesicht von Hendrik.
    Neben Hendriks Füßen lag der vereiste Wasserschlauch, an dessen Spitze sich ein Eisblock gebildet hatte, aus dem nur noch ein dünnes Rinnsal floss.
    „Was ist mit ihr?“, fragte er und richtete sich auf.
    Hendrik wies mit dem Daumen in Richtung Tor. „Sie lebt.“ Susanne lehnte an einem der Pfosten, neben ihr hockte Jan und sprach leise auf sie ein. „Nur ihr Kopf scheint etwas mitbekommen zu haben. Sie redet ziemlich wirres Zeug. – Was ist mit dir? Bist du okay?“
    Sven kam hustend auf die Füße. „Alles bestens“, versicherte er und wandte sich zur Brandstelle um. „Der Stall ist nicht mehr zu retten. Und Clasen ...“
    „... auch nicht“, ergänzte Hendrik.
    „Verdammt! Was machen wir? Die Feuerwehr ... Hat Jan was erreicht?“
    „Sie sind unterwegs.“ Hendrik machte eine unbestimmte Bewegung. „Aber ob sie es bis hierher schaffen, ist die Frage.“ Er deutete dorthin, wo er die Straße vermutete. „Der Schnee ...“
    Erst jetzt entdeckte Sven die Rinder. Sie hatten sich vor dem Hof verteilt und steckten bis zu dem Bäuchen im

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