Eiskalter Sommer
wunderbar erzählen. Von seiner Arbeit. Und davon, was er sonst so macht. Viel Freizeit bleibt einem Zeitungsredakteur ja nicht. Das ist bei denen ein bisschen wie bei uns. Wenn sie an einer Sache dran sind, gibt es keinen Feierabend. Und er kennt den neuesten Klatsch aus dem Rathaus, aktuelle Geschichten aus der Tourismusszene und die Entwicklung auf dem Wirtschaftssektor. Er ist wirklich – wie du gesagt hast – auf Draht.“
Konrad Röverkamp beugte sich vor. „Aber?“
Marie schüttelte den Kopf. „Es gibt kein Aber. Ich finde ihn sympathisch, und er sieht ja auch ziemlich gut aus. Das Problem ... ist ... bin ich.“
„Du?“ Der Hauptkommissar lächelte. „Du magst alles mögliche sein, Marie. Aber eines bist du mit Sicherheit nicht: ein Problem.“
„Aber ich habe es geschafft, den Abend ... die Stimmung ... Ich wollte es nicht. Es ist einfach passiert. Ich habe ...“
Sie wurde unterbrochen, als es an der Tür klopfte und ein Kollege aus der Zentrale den Kopf durch den Spalt steckte. „Entschuldigt bitte. Der Chef meinte, ich sollte euch informieren. Wir haben eine Vermisstenmeldung. Und am Strand in Döse wurden Kleidungsstücke gefunden, die offenbar dem Vermissten gehören.“
„Gibt es Hinweise auf eine Gewalttat?“ Röverkamp zückte einen Kugelschreiber und zog sich einen Block heran.
Der Beamte schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Aber es handelt sich um den Koch vom Restaurant Cap Cux, der verschwunden ist. Die Inhaber sind deswegen völlig von der Rolle. Kann man ja verstehen. Mitten in der Hochsaison verschwindet der Chefkoch. Sie sind mit Staatsanwalt Krebsfänger bekannt und machen einen ziemlichen Wind.“
Verärgert warf Röverkamp den Schreibstift in die Ablage. „Dann verschont uns damit!“, rief er ungewohnt heftig. „Wir haben zwei ungeklärte Todesfälle zu bearbeiten.“
Der Kollege zog sich verschreckt zurück und schloss die Tür.
Marie grinste verhalten. „Es ist nur noch einer.“ Sie zog einen schmalen Ordner aus dem Stapel auf ihrem Schreibtisch und reichte ihn dem Hauptkommissar. „Der Bericht der Rechtsmediziner. Unser Mann vom Dünenweg in Duhnen ist eines natürlichen Todes gestorben. Gehirnblutung. Nur seine Identität ist noch nicht geklärt. Im Gegensatz zu dem Restaurantkoch hat ihn bisher noch niemand vermisst. Wahrscheinlich ein Urlauber.“
Röverkamp warf einen Blick in die Mappe und ließ sie dann in einen Ablagekorb fallen. „Sehr gut. Wenigstens eine gute Nachricht. Also können wir uns ganz auf den Fall Evers konzentrieren. Aber vorher würde mich noch interessieren, was dir gestern Abend widerfahren ist.“
Marie sah aus dem Fenster und hob die Schultern. „Es war, wie gesagt, richtig nett. Aber dann habe ich ... behauptet, ich hätte einen Freund. Felix hat sich nichts anmerken lassen, aber ich bin sicher, sein Interesse ist danach deutlich abgeklungen.“
„Warum?“
„Wie – warum? Warum sein Interesse ...?“
„Warum hast du ihn belogen?“
Marie zuckte bei dem Wort innerlich zusammen. „Ich weiß nicht. Ich wollte es nicht wirklich. Es kam so. Ich glaube ...“ Statt den Satz zu vollenden, hob sie erneut die Schultern.
„Du hattest Angst“, stellte Röverkamp fest. „Und die hast du wahrscheinlich immer noch. Angst, dich zu verlieben. Und eine neue Enttäuschung zu erleben.“
Marie nickte stumm.
Eine Weile schwiegen beide. Durch die geöffneten Fenster drang der Lärm des Straßenverkehrs herein, gelegentlich übertönt von der Sirene eines Polizeifahrzeugs oder dem Signalhorn eines Schiffes.
Schließlich brach der Hauptkommissar das Schweigen. „Ich kann dich verstehen, Marie. Mir ging es genau so. Damals ... Jedenfalls bin ich viel zu lange einer neuen Beziehung aus dem Weg gegangen. Du solltest es besser machen und den kleinen Fehler so schnell wie möglich ausbügeln.“
„Kleiner Fehler?“ Marie sah ihren Kollegen an. „Immerhin habe ich bei einer wichtigen Frage ...“
Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Es geht hier doch nicht um Zeugenaussagen in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren. Wie ich den jungen Mann einschätze, wird er dir das kleine Manöver gerne verzeihen. Erklär’s ihm einfach.“
„Du meinst ...?“
Röverkamp lächelte. „Ich an seiner Stelle würde mich glücklich schätzen, wenn sich die Sache so schnell wieder zum Guten wenden würde. Ich würde übrigens ohnehin nicht aufgeben. Selbst wenn meine Angebetete schon einen Freund hätte.“ Nach einer kurzen Pause fügte er
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