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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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Teil der Dachfläche freigab. Aus dem brennenden Stall stoben noch immer in unregelmäßigen Abständen Funkenwolken, die vom Wind gegen das Wohnhaus gedrückt wurden.
    Nur knapp erreichte er mit dem Strahl aus Clasens Schlauch die offen liegenden Teile des Reetdaches. Vom Stall war ohnehin nichts mehr zu retten, also konzentrierte er sich darauf, die Eisschicht auf dem Dach des Wohnhauses zu erhalten.
    Während er das Wasser auf dem Reet verteilte, wanderten seine Gedanken zu den anderen. Sie waren seit über einer Stunde unterwegs. Vielleicht hatten sie das Dorf schon erreicht.
    Wenn sie zurückkommen, bringen sie bestimmt Hilfe mit. Und dann müssen wir uns um die Tiere kümmern.
    Das Gebrüll der Rinder, die um den Hof herum im Schnee feststeckten, ging ihm an die Nieren. Aber was hätte er tun können? Vielleicht mussten die Kühe gemolken werden. Aber wäre dazu in der Lage?
    Gelegentlich, wenn der Wind seine Richtung änderte, drang ein Schwall Ekel erregenden Geruchs vom Stall zu ihm herüber. Nach einer Mischung aus schwelendem Kuhmist und verbranntem Fleisch. Sven spürte, Übelkeit aufsteigen, zwang sich aber, dem Brechreiz nicht nachzugeben. Waren dort doch noch Tiere geblieben? Hühner und Schweine waren in dem anderen Stallgebäude. Konnte es sein, dass Clasen ...? Sven schüttelte sich und verbannte das Bild eines verkohlten menschlichen Körpers aus seiner Vorstellung.

    *

    Fast hätte Röverkamp verschlafen. Dass der Wecker geklingelt hatte, drang erst in sein Bewusstsein, als das Geräusch schon wieder verklungen war. Im Halbschlaf sah er Sabine vor sich. Wie sie aus dem Bad gekommen war und sich die Haare getrocknet hatte. Und dann fühlte er ihre Haut auf seiner Haut, roch ihren Duft, und spürte ihre Wärme. Er versuchte, das Aufwachen hinauszuzögern, aber von irgendwoher drangen Geräusche auf ihn ein. Verkehrslärm brandete durch die offenen Fenster. Seufzend warf er die Bettdecke von sich und schwang die Beine aus dem Bett. Immerhin hatte er trotz der Wärme mal wieder richtig gut geschlafen. Was so eine kleine Auszeit doch ausmacht. Oder war es die Liebe am Abend, die ihm innere Ruhe und schöne Träume geschenkt hatte? Automatisch tastete seine Hand nach dem Morgenmantel, doch dann fiel ihm ein, dass er allein in der Wohnung war und Amelie Karstens nicht mehr vor dem Anblick eines nackten Mannes geschützt werden musste.
    Auf dem Weg ins Bad begegnete ihm sein Spiegelbild. Sein Gegenüber war eigentlich recht gut erhalten. Wenn man von dem Rettungsring um die Hüften absah. Und vom Bauch. Probeweise zog er ihn ein. Die Besserung war nur von kurzer Dauer. Sie waren endgültig vorbei – die Zeiten, in denen er ohne Kleidung eine gute Figur gemacht hatte. Dass Sabine ihn trotzdem liebte, war ein großes Glück. Andererseits gab es Männer, die gut und gerne fünfzig Kilo mehr mit sich herumtrugen. Und das, wie er gestern gesehen hatte, mit ungetrübtem Selbstbewusstsein sogar im Adamskostüm.
    Die Bilder von den Wattenfreunden erinnerten ihn an Marie Janssens Anruf. Der Chef wollte sie sprechen. Also würde er sich beeilen müssen, um nicht in letzter Minute und außer Atem in der Dienststelle aufzutauchen.

    *

    Kriminaloberrat Christiansen nahm seine Besucher an der Bürotür in Empfang. Er führte sie zu einer Sitzecke und wies auf die schon etwas in die Jahre gekommenen Sessel. Da ihn ebenso wie Röverkamp nur noch wenige Jahre von der Pensionierung trennten, legte er offenbar keinen Wert darauf, seine Büroausstattung auf den neuesten Stand bringen zu lassen.
    Nachdem Janssen und Röverkamp sich gesetzt hatten, ließ sich der große hagere Mann ebenfalls nieder und schlug seine langen Beine übereinander. Mit freundlichem Blick musterte er seine Gäste. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut“, begann er und wandte sich Röverkamp zu. „Sie sehen in letzter Zeit etwas überarbeitet aus, mein lieber Kollege.“
    Der Hauptkommissar berichtete kurz vom Tod seiner Wirtin. Christiansen nickte verständnisvoll und sah Marie an. „Sie dagegen strahlen Zufriedenheit aus. Würde mich freuen, wenn mein Eindruck zuträfe.“
    Marie spürte das Blut in ihren Wangen und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Wollte der Kriminaloberrat eine Erklärung?
    Er nahm ihr die Entscheidung ab. „Kommen wir zur Sache. Es geht um die Fälle Evers und Jensen. Möglicherweise ist es ja auch ein Fall. Wie auch immer, Staatsanwalt Krebsfänger scheint neuerdings ein besonderes Interesse daran zu entwickeln. Er

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