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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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Ball bei Pirlo ... Pass zu Grosso, Grosso schießt ... NEIN, das darf nicht wahr sein, der Ball geht knapp neben dem Pfosten ins Netz. Eins zu null! Italien jetzt in Führung. Und das in der vorletzten Minute. Ein Aufstöhnen geht durch das Stadion hier in Dortmund. Aber jetzt – noch einmal bäumt sich die deutsche Mannschaft auf, wirft alles nach vorne, will den Ausgleich ... da geht der Ball an Gilardino, der schießt zurück zu Del Piero.“
    Die Stimme des Reportes überschlug sich.
    „Der Stürmer von Juventus Turin nimmt den Ball auf den Fuß ... schießt ... hebt ihn über Jens Lehmann hinweg – in die rechte obere Ecke. Zwei zu null! Das Spiel ist aus, meine Damen und Herren. Verdammt noch mal, ist das bitter! Im letzter Sekunde so niedergerungen zu werden mit null zu zwei. Das ist ganz, ganz, ganz bitter. Der große Traum vom Finale – er ist ausgeträumt.“
    Konrad Röverkamp war – ohne es zu bemerken – immer langsamer geworden. Hatte er Nordholz schon passiert? Auch das war ihm entgangen. Und erst jetzt fiel ihm auf, dass er ganz allein auf der Autobahn unterwegs war. Und dass er Cuxhaven fast erreicht hatte.
    „Nun wird Deutschland also doch nicht Fußball-Weltmeister. Eigentlich schade. Ich hätte es Klinsmann und seinen Jungs gegönnt. Andererseits ist es vielleicht auch ganz gut so. Zu viele Leute waren schon zu sehr in einem nationalen Siegestaumel.“
    Auch in Röverkamp ließ nun die Anspannung nach. Je näher er der Innenstadt kam, desto stärker machten sich nun wieder Fragen und Gedanken breit, die sich bis eben noch im Hintergrund gehalten hatten. Fragen nach den Hintergründen und möglichen Zusammenhängen im Fall Evers und Fall Jensen und nach dessen Verbindung zu Hannes Fedder. Die unzähligen Trupps johlender Fußballfans, die in der Stadt unterwegs waren, nahm er nur am Rande wahr.
    Und dann dachte er an die große leere Wohnung, die ihn erwartete.

13
    Es hatte wieder angefangen zu schneien. Unbarmherzig trieb der Wind ein Gemisch aus Schneeflocken und Eiskristallen über die weiße Landschaft und klebte weiße Streifen an Bäume und Sträucher.
    Der Himmel verdunkelte sich, und die Sicht wurde schlechter. Zum Glück wiesen die unübersehbaren Spuren des schweren Traktors den Wanderern den Weg. Sie waren gut zwanzig Minuten gefahren. Zu Fuß würden sie, schätzte Jan, die dreifache Zeit brauchen. Also eine gute Stunde. Das musste zu schaffen sein. Jedenfalls für ihn und Hendrik.
    Besorgt musterte er Susanne, die willenlos und mit starrem Blick tat, was man ihr sagte. Das Mädchen war nicht wiederzuerkennen. Auch äußerlich schien sie sich verändert zu haben. Unter Kopfverband und Kapuze waren nur Nase, Mund und Augen zu erkennen. Ihr Gesicht blieb ohne jede Mimik. Jan fragte sich, ob sie sich an das, was am Abend und in der Nacht geschehen war, wohl erinnerte. Und ob seine Gefühle für die Susanne von gestern auch diesem unbeseelten Wesen galten, das neben ihm hertrottete.
    Auf dem festen Untergrund der Treckerspur kamen sie gut voran. Doch schon nach kurzer Zeit mussten sie anhalten und die Augenwimpern von Eiskristallen befreien. Kälte und Wind drangen durch jede ungeschützte Stelle am Körper. Obwohl sie für die Fahrt auf dem offenen Traktor alle passenden Kleidungsstücke, die sie hatten auftreiben können, übereinander trugen, drang die Kälte bis auf die Haut. Die schwere und unförmige Kleidung erschwerte jede Bewegung und behinderte das Gehen. Dennoch wagten sie nicht, eine der schützenden Hüllen abzulegen.
    Nach einer knappen halben Stunde versuchten Hendrik und Jan, den zurückgelegten Weg einzuschätzen. Hinter ihnen war der Trecker nur noch als dunkler Punkt in der Schneelandschaft zu erkennen. Aber durch die Schleier des Schneetreibens und in der Unendlichkeit der sie umgebenden weißen Wüste war es unmöglich, die Entfernung zu schätzen. Und der Hof war noch immer nicht in Sicht.

    *

    Sven war es gelungen, den hart gefrorenen Wasserschlauch aufzutauen, nachdem er ihn ins Wohnhaus geschleppt hatte. Zum Glück lief hier die Heizung noch. Die Stromversorgung für den Ölbrenner funktionierte also weiter. Seine Hoffnung, die Telefonleitung könnte wieder frei sein, erfüllte sich jedoch nicht.
    In der Küche löste er den Anschluss der Waschmaschine und schloss dort den langen Schlauch an. Er reichte gerade so weit, dass er den Wasserstrahl in die Flammen richten konnte. Ein Schreck erfasste ihn, als eine Lawine vom Dach des Wohnhauses rutschte und einen

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