Eiskalter Wahnsinn
spezifizierten Rechnung. Marley hatte die Akte zuvor herausgezogen und offenbar auf diesen Besuch gewartet. Irgendetwas bereitete ihm Unbehagen, und das war nicht Steve Earlmans Leichnam.
Sie blätterte die Akte durch, ohne zu wissen, wonach sie suchen sollte. Die Beträge schienen Standard zu sein, da fiel nichts Außergewöhnliches auf. Und ja, da war ein Betrag von achthundertfünfzig Dollar für eine Gruft. Nicht einfach eine Gruft, sondern etwas, das sich „Monticelli Gruft“ nannte.
„Unsere Grüfte werden fest versiegelt. Wir geben die Garantie, dass nichts brechen oder einsickern kann.“
„Wirklich? Hat sich schon mal jemand beschwert?“
„Wie bitte?“
„Wollte schon mal jemand sein Geld zurückhaben?“
Er sah sie an und lachte plötzlich, ein lautes, eingeübtes Lachen. „Um Himmels willen, nein. Aber der Witz ist gut, Maggie.“
„Agentin O’Dell.“
„Wie bitte?“
„Es wäre mir lieber, wenn Sie mich Agentin O’Dell nennen würden, Mr. Marley.“
„Aber sicher, natürlich.“
Maggie sah die restlichen Dokumente in Steve Earlmans Akte durch.
„Eigentlich wollte ich Sie nach einer Ihrer Kundinnen befragen. Wie ich hörte, haben Sie mit Joan Begley die Arrangements für die Beisetzung ihrer Großmutter ausgearbeitet. Ist das richtig?“
„Joan Begley.“ Jacob Marley war offensichtlich verblüfft. „Ja, natürlich, ich habe letzte Woche mit Joan alles besprochen. Gibt es da ein Problem?“
Diesmal wirkte Jacob Marley eher überrascht als besorgt.
Maggie hatte ihn nach ihrem Dinner bei Fellini befragen und sich erkundigen wollen, ob er wisse, dass Joan vermisst wurde. Doch sein Mienenspiel sprach Bände und beantwortete die letzte Frage. Wenn sie in der Hoffnung hergekommen war, Jacob Marley mit Joan Begleys Verschwinden in Verbindung bringen zu können, so sank sie nach diesem Ausdruck von Verwirrung und Erstaunen auf seinem Gesicht.
Jacob Marley verbarg zwar etwas, doch das hatte nichts mit Joan Begley zu tun. Aber vielleicht mit der Akte, die hier aufgeschlagen vor ihr lag.
Marleys Telefon klingelte. Er nahm den Hörer auf. Ja?“
Nach was sollte sie suchen? Was machte Marley derart nervös?
„Ich habe gerade Besuch“, sagte er in den Hörer und konnte eine leichte Gereiztheit nicht verhehlen. „Nein, ich werde den Leichnam in der nächsten Stunde nicht abholen können. Arbeitet Simon heute? Gut. Schicken Sie ihn, sobald er kommt.“
Er legte den Hörer auf und wandte sich wieder Maggie zu. „Das Schlimmste an diesem Job ist, dass wir jederzeit und zu den unmöglichsten Stunden bereit sein müssen.“
„Ja, vermutlich ist Ihr Geschäft nicht sehr vorhersehbar“, erwiderte Maggie und blätterte die Seiten durch. Dann erregte etwas ihre Aufmerksamkeit. Wenn sie sich recht entsann, war Calvin Vargus einer der Männer, die die erste Leiche im Steinbruch entdeckt hatten. „Sie haben einen Kontrakt mit Calvin Vargus und Walter Hobbs, die Gräber auszuheben?“
„Ja, das stimmt.“ Er verlagerte sein Gewicht und begann nun, mit dem anderen Fuß zu wippen. „Die beiden haben die richtige Ausrüstung dafür.“
„Wie lange arbeiten die beiden schon für Sie?“
„Ach herrje.“ Marley verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, das geht weit zurück in die Zeit, als Wallys Vater das Geschäft führte und einen Kontrakt mit meinem Vater hatte. Es ist also eine langjährige Beziehung. Mein Vater war ein sehr loyaler Mann und arbeitete über viele Jahre mit denselben Leuten zusammen.“ Er deutete auf eines der Fotos an der Wand, ein Porträt von Marley senior, der sehr ernsthaft blickte, als bereite er sich auf eine Beerdigung vor. „Und die Leute waren auch ihm gegenüber sehr loyal. Gott gebe seiner Seele Frieden. Wenn ich etwas anders mache als mein Vater oder ein paar Veränderungen hier und da einführe, sagt mir garantiert jemand: So hätte Jacob Marley es nicht gemacht.“
Maggie fiel etwas auf. „Demnach hieß Ihr Vater also auch Jacob.“
„Ja, das stimmt.“
„Dann sind Sie der Junior?“
„Ja, aber bitte nennen Sie mich nicht so. Alles, nur nicht Junior.“
Wenn nicht Junior, dann vielleicht Sonny? fragte sich Maggie insgeheim.
38. KAPITEL
Tully ließ sich von Gwen bedienen. Sie hatte darauf bestanden. Es war sein erster Besuch in ihrem Stadthaus. Und ihre erste Einladung an ihn. Notgedrungen, wie er sich erinnerte. Trotzdem, eine Einladung war eine Einladung.
Gwen hatte gemeint, dass sie es hier bei ihr gemütlicher haben würden
Weitere Kostenlose Bücher