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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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das … nicht so gemeint«, krächzte ich. Mein Hals brannte. Jetzt erkannte ich sie. Es war eins der Volleyballmädchen. »Was man halt so sagt.«
    »Was man halt so sagt …« Sie stand abrupt auf, warf mir einen angewiderten Blick zu und ging weg.
    »Ich hab's nicht so gemeint!«, schrie ich ihr hinterher. »An so was denkt man doch nicht!«
    Das Gejaule des Martinshorns war in den letzten Minuten auf geradezu infernalische Lautstärke angestiegen und ich geriet in einen Sog von Leuten, die alle zurückgedrängt wurden. Auf einmal waren hier mehr Erwachsene als Jugendliche, eine Polizistin befestigte eine gelbe Absperrung, jemand in roter Rettungsuniform hastete vorbei.
    »Geht es Ihnen gut? Wollen Sie Wasser?« Eine Sanitäterin half mir auf die Beine und drückte mir eine Wasserflasche in die Hand. »Brauchen Sie ärztliche Hilfe?«
    »Nein«, stammelte ich. Die Wasserflasche nahm ich aber dankbar entgegen. Ich trank sie auf einen Zug halb leer, den Rest kippte ich über mein verklebtesGesicht und über meine Hände. Wo war eigentlich meine Tasche? Und wo, oh Gott – wo war Leander? Wieso hatte ich nicht gleich an ihn gedacht? Mein Kopf war wie ein Zimmer voller Watte, Gedankenfetzchen flatterten auf und huschten weg, ich konnte überhaupt nicht klar denken.
    »Leander?«, schrie ich. Es war mir egal, wer mich blöd anstarrte. Um mich herum heulten so viele, manche richtig hysterisch, vor allem Mädchen. Jungs standen da wie erstarrt, schüttelten fassungslos den Kopf. Aber keiner von ihnen war Leander.
    »Wir sollen alle da drüben warten, sie wollen nachher noch mit uns reden.« Jemand zog mich am Arm, ein fremdes Mädchen mit schwarzer Lockenmähne fast wie Nadine. Sie zeigte zur Wiese. Am Waldrand standen ein paar Zelte. Dort hatten offenbar die anderen geschlafen.
    »Wo ist Leander? Hast du ihn gesehen?«, fragte ich das Mädchen hastig.
    »Wer?«
    »Leander. Der … Freund von Vanessa.«
    »Kenne ich leider nicht. Der arme Kerl.« Sie schüttelte sich kurz. »Das ist so was von furchtbar. Mann, wir kommen jedes Jahr zum Walpurgisfeuer her, noch nie ist was passiert und diesmal so was. Da klettert man doch nicht im Dunkeln in der Gegend rum, ich verstehe das nicht. Noch nie hat das einer gemacht, das weiß man doch. Immer war das schön und friedlich hier.«
    »Friedlich.« Ich starrte sie an. Jäh war eine Erinnerungin meinem Kopf aufgeflammt. »Von wegen friedlich. Da waren lauter Verrückte, Verkleidete, Hexen, die wollten …« Mir wurde ganz kalt. »Ich glaube, die haben da jemanden ins Feuer geschmissen!«
    »Spinnst du?« Das Mädchen wich erschrocken vor mir zurück. »Wer erzählt denn so etwas?«
    »Ich …« Mir fehlten die Worte. Ich wusste ja selbst, wie absurd sich das anhörte, jetzt am helllichten Tag. Was war eigentlich gestern mit mir los gewesen? Getrunken hatte ich schließlich schon öfters, manchmal auch viel zu viel, wie alle halt. Aber noch nie hatte ich solche Angst dabei verspürt.
    »Der!«, rief ich. »Der da war mit dabei!« Ich zeigte auf den als Henker verkleideten Jungen, der mittlerweile seine Kappe abgenommen hatte und mit blutunterlaufenen Augen in seinem Lederwams über die Wiese stampfte. Er winkte mir zu.
    Er winkte mir zu, als wären wir beste Freunde, und gestern …
    »Falk? Hast du sie noch alle?« Das Mädchen musterte mich und zu meinem Entsetzen kam dieser Falk jetzt auf uns zu.
    »Furchtbare Sache, was?«, sagte er und steckte sich eine Zigarette an. Dabei sah ich, dass seine linke Hand fast komplett mit einem feuerroten Muttermal bedeckt war. Wie verbrannt. »Deine Hand …«, stotterte ich.
    »Ja, war schon immer so.« Er zuckte mit den Schultern. »War Vanessa eine Freundin von dir?«
    Ich konnte meinen Blick nicht von der roten Haut an seiner Hand lösen. Warum war ich gestern Nacht so durchgedreht? Wurde ich langsam verrückt? Oder spielte der mir was vor?
    »Warum hast du mich ins Feuer schmeißen wollen?«, platzte ich heraus. »Wer waren die ganzen Leute gestern?« Schlag auf Schlag kehrte jetzt das Grauen der letzten Nacht in mein Gedächtnis zurück.
    »Ich wollte dich doch nicht ins Feuer schmeißen«, sagte er schockiert. »Ich hab dich aufgefangen, als du beinahe reingestolpert wärst. Du hattest totale Schlagseite. Wie kann man sich nur so zudröhnen als Mädchen, echt. Kein Wunder, dass dann jemand abstürzt.«
    »War das so bei ihr?«, fragte das fremde Mädchen. »Haben sie das gesagt?«
    »Glaub schon.« Falk-Henker blies Rauch aus und sah in

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