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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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mitgekriegt? Wer Drogen hatte oder angeboten hat oder so?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Es war ein schreckliches Zeug. S cratch , was Neues. Ich war total hinüber.«
    Hier nickte er sofort. »Das warst du aber echt.«
    Das überraschte mich jetzt. »Du hast mich noch gesehen?« Ein Gedanke blitzte in meinem Kopf auf. »Hast du vielleicht auch gesehen, ob ich Vanessa ihren Ohrring abgerissen habe? Der war aus irgendeinem Grund in meiner Tasche.«
    »Nein.« Das kam einen Tick zu schnell.
    Sina trat an unseren Tisch und stellte zwei Tassen vor uns ab, jede groß genug, um einen halben Liter zu fassen. In ihnen dampfte etwas, das mit weißem Schaum und hellbrauner, klebriger Soße dekoriert war.
    »Danke.« Ich lächelte ihr zu. Mein Magen wehrte sich bereits gegen das Gebräu.
    »Du hast also nichts gesehen?«
    Etwas hatte sich an ihm verändert. Das euphorische Strahlen war einer gewissen Vorsicht gewichen. »Bist du wegen Vanessa hier?«
    »Nein. Also indirekt doch. Ich verstehe einfach nicht, wie der Ohrring zu mir kam. Keiner hat unsbeide zusammen gesehen. Ich kann mich an nichts erinnern. Ich hab irgendwas getrunken …« Ich brach ab, weil mir etwas einfiel. Der »Met«, dieses süße hochprozentige Mischzeug. Was mochte da sonst noch drin gewesen sein? »Du hast mir auch was zu trinken gegeben!«
    »Ja, hab ich. Aber ich habe dich bestimmt nicht mit Scratch oder sonst was abgefüllt. Ich wüsste gar nicht, wo ich so etwas herbekommen sollte. Und überhaupt – warum sollte ich?« Er griff plötzlich nach meiner Hand und hielt sie fest. An seinem Daumen war ein fast verheilter Kratzer zu sehen. Ein Kratzer.
    Eine Erinnerung kam schlagartig zurück. »Du hast mich umarmt an dem Abend. Du hättest mir dabei den Ohrring in die Tasche stecken können.«
    »Und warum sollte ich das tun?« Er beugte sich rasch über seine eimergroße Tasse.
    »Das weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung. Aber du hattest an dem Abend plötzlich einen Kratzer im Gesicht. Woher? Von Vanessa? Hast du ihr den Ohrring abgerissen? Du warst doch auch sauer auf sie?«
    Ich wollte meine Hand zurückziehen, aber sein Griff war eisern, das traute man ihm gar nicht zu. »Lass mich los.«
    »Lena. Schöner Name übrigens. Passt zu dir. Lass uns nicht über den schrecklichen Abend reden. Ich freue mich total, dass du hier bist.«
    »Lass los!«
    Er hob entschuldigend die Hände. »Okay. Sorry.«Er trank einen Schluck. »Ich bin durch den Wald gelaufen. Musste mal. Da ist mir ein Zweig ins Gesicht geklatscht. Ich habe nichts mit Ohrringen oder Drogen zu tun.«
    Ich antwortete nicht. Seine Augen huschten unsicher hin und her, irgendwas verbarg er vor mir.
    Er schlürfte den Schaum ab. »Koste doch mal.«
    Ich beugte mich über die Tasse, wich zurück. Das klebrig braune Zeug war Karamell. Plötzlich schien die Luft davon durchdrungen zu sein.
    Ben leckte sich genüsslich die Lippen. »Es ist schrecklich, dass Vanessa an dem Abend gestorben ist. Ich mochte sie auch, das weißt du ja. Aber trotzdem war der Abend schön, denn ich habe dich kennengelernt. Und jetzt sitzt du vor mir. Bislang hatte ich immer nur dein Foto.«
    »Du hast ein Foto von mir?« Ich konnte es nicht glauben. Der Karamellgeruch war jetzt allgegenwärtig, in wenigen Sekunden würde ich ihn durch Osmose aufnehmen und er würde für immer in mir brodeln und dampfen und mich bei jedem Atemzug an Vanessa erinnern.
    »Zeig mir das Foto.«
    Er freute sich. Holte sein Handy heraus und drückte darauf herum. »Hier.« Er hielt es hoch.
    Mir wurde noch übler. Es zeigte mich, wie ich ganz alleine im Gras saß, meine Finger in den Boden gekrallt, den Mund leicht offen, die Haare verschwitzt, den Blick stier in die Ferne gerichtet. Ich sah total debil aus.
    »Ich will, dass du das löschst.«
    »Wieso denn?« Er strich sacht mit dem Finger darüber. »Du siehst da aus wie eine Prinzessin.« Er lächelte. »Eine Punk-Prinzessin oder so.«
    Ich sprang auf, stieß dabei den Stuhl um. »Du hast sie ja nicht mehr alle.«
    Er sprang ebenfalls auf, erschrocken. »Hey, Lena, was wirst du denn da so aggressiv?« Er beugte sich zu mir, ich roch seinen Atem, widerlich nach Karamell. Wenn ich nicht sofort hier rauskam, würde ich quer über den Tisch kotzen. Ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um und ging.
    »Kommst du noch mal wieder?«, rief er mir hinterher. »Kann ich dich anrufen?«
    »Lösch das Scheißbild!«, schrie ich zurück. Durch die Fensterscheibe konnte ich das erstaunte Gesicht seiner

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