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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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»Hier gehen sie los, guck.« Sie reichte mir ihr Handy und ich betrachteteBild um Bild von aufgerissenen, lachenden Mündern, von Leuten, die ich nicht kannte, Mädchen, die Grimassen zogen oder affig posierten, Fotos von einem Stück Holz, von der Strohpuppe, vom Feuer, von küssenden Paaren. Einmal sah ich Tines Arm um Gregors Rücken, einmal Nadine aus der Ferne, daneben mich selbst, wie ich auf sie einredete. Da hatte ich gerade meinen Monolog zum Thema Vanessa Klinger gehalten. Allein der Anblick des Bildes trieb mir die Schamesröte wieder ins Gesicht. Ansonsten kannte ich niemanden, außer dem blöden Typen mit der Teufelskappe und dem Puddinggesicht, der war gleich auf mehreren Bildern.
    »Wieso hast du den denn dauernd fotografiert?«, fragte ich und zeigte ihr ein Foto.
    Sie sah mich überrascht an. »Na, das ist doch mein Bruder. Mein Bruder Ben. Von dem ich dir erzählt habe!«
    » Das ist dein Bruder?« Ich hielt inne. Irgendwo in meinem Kopf setzte sich ein kleines Rädchen in Bewegung. »Das ist dein Bruder?«, wiederholte ich. Das hatte etwas zu bedeuten, ich wusste nur nicht richtig, was. Der Typ hatte mir was zu trinken gegeben. Nein – ich hatte es ihm einfach weggenommen. Den Met. Trotzdem. Er hatte sich bei mir über Vanessa ausgelassen. Und was hatte seine Schwester gerade gesagt? Vanessa hatte ihn lächerlich gemacht? Ich betrachtete die letzten Fotos. Auf einem war ich deutlich zu sehen, ich saß auf dem Boden, alleine, mit schreckgeweiteten Augen. Da war ich bereits totalhinüber, wahrscheinlich sah ich da schon lauter Hexen, mein Gesicht ein einziger Horror. Ich fragte mich jetzt wirklich, warum das niemandem aufgefallen war, ich wirkte völlig verstört, wie ein Kriegsopfer oder so. Das letzte Bild zeigte wieder Ben. Ohne Teufelskappe. Er hielt die Hand abwehrend ausgestreckt, als ob er nicht fotografiert werden wollte. Und sein Gesicht zierte jetzt eine riesige Schramme …
    »Kann ich …«, ich wusste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte, und entschied mich für den direktesten Weg. »Kann ich deinen Bruder mal anrufen? Ich würde ihn gern was fragen.«
    »Ja, klar.« Sie strahlte mich an. »Du kannst sogar jetzt gleich mit ihm sprechen, er arbeitet doch auch hier. Das Café gehört unseren Eltern. Er wird sich freuen.«
    »Warum wird er sich freuen?« Meine Haut fing auf einmal unangenehm an zu jucken.
    »Weil ich weiß, dass er dich gern wiedersehen wollte. Wie heißt du eigentlich?« Sie öffnete die Tür zu einem Raum hinter dem Café, wahrscheinlich ein Lagerraum oder eine Küche.
    »Lena.« Meine Stimme klang, als hätte sie jemand mit dem Reibeisen bearbeitet.
    »Ben?«, rief sie nach hinten. »Hier ist jemand für dich. Eine gewisse Lena!« Sie zwinkerte mir zu. »Ich bin übrigens Sina. Muss dann mal wieder.« Im Handumdrehen setzte sie ein professionelles Lächeln auf und wandte sich an jemanden neben mir. Eine dickeFrau, die ich gar nicht bemerkt hatte und die schon ungeduldig mit den Fingern trommelte. »Was darf es denn sein?«
    Ich trat wie ferngesteuert zur Seite, den Blick auf die Tür hinter dem Tresen gerichtet, die sich jetzt langsam öffnete. Da stand er. Er kam mir kleiner vor als bei unserer letzten Begegnung und irgendwie unscheinbarer, was wahrscheinlich daran lag, dass er jetzt nüchtern und nicht als Teufel verkleidet war. Als er mich entdeckte, leuchteten seine Augen auf.
    »Du bist es. Mann, ich glaube es ja nicht. Du besuchst mich!«
    »Ich bin nur zufällig hier«, korrigierte ich ihn sofort. »Ich hab gerade erst erfahren, dass du hier arbeitest, ich wollte dich nur was fragen.«
    »Alles. Frag mich alles. Setz dich doch.« Er berührte meinen Arm, eine Geste, die mir einen Touch zu vertraulich erschien. Ich wich ihm aus, setzte mich aber an einen kleinen Tisch in der Ecke.
    »Willst du was trinken? Essen? Geht alles aufs Haus.« Er strahlte mich an.
    »Nein, danke. Mir reicht das Wasser«
    »Unsinn. Du kostet jetzt mal meine Kreation. Special Chocochino . Sina?« Er gab seiner Schwester ein Zeichen. »Machst du mal zwei Chocos für uns?« Er setzte sich mir gegenüber.
    Ein Sonnenstrahl hüpfte auf dem kleinen runden Tisch zwischen uns herum, sprang auf Bens Hand und dann auf meine, als wolle er uns mit Macht zusammenführen.
    »An dem Abend«, begann ich ohne Einleitung, »habe ich Drogen genommen.«
    Bens Augen wurden groß.
    »Nicht absichtlich. Entweder hat sie mir jemand gegeben oder ich hab aus Versehen was getrunken. Hast du irgendwas

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