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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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»Sie hat mal versucht, mich anzumachen, und – na ja.«
    Es kann offenbar auch ein Fluch sein, beim anderen Geschlecht beliebt zu sein.
    Â»Was halten Sie von der Geschichte?«
    Â»Einbruch würde ich ausschließen.« Balke unterdrückte mit Mühe eine heftige Gähnattacke. »Da steckt was anderes dahinter. Ich tippe auf eine Beziehungstat.«
    Â»Und die Handtasche?«
    Â»Ein billiger Trick, um uns auf eine falsche Fährte zu locken. Vorgetäuschter Raubmord. Nein, mein Bauch sagt mir: Beziehungstat.«
    Â»Ich habe heute Morgen mit der Nachbarin gesprochen, die sie gefunden hat. Sie meinte, die Tote habe sich eventuell kürzlich von ihrem Mann getrennt.«
    Â»Erst mal müssen wir wissen, wer sie ist und woher sie kommt. Der Rest klärt sich dann vermutlich ziemlich schnell.« Balke atmete tief ein und aus und freute sich sichtlich auf das Ende unseres Gesprächs.
    Â»Legen Sie sich hin!« Ich schlug ihm auf die Schulter. »War eine harte Nacht. Schlafen Sie sich aus. Morgen früh sehen wir weiter.«

3
    Â»Paps, hast du mal kurz Zeit?«, fragte Louise mit unsicherem Blick, als sie abends um kurz nach zehn zu mir ins Wohnzimmer kam.
    Aus den Lautsprecherboxen drang ruhige Klaviermusik von Keith Jarrett. Ich war dabei gewesen, Theresa, meiner Geliebten, eine Gute-Nacht-SMS zu schreiben. So, wie meine fünfzehnjährige Tochter guckte, gab es ein Problem. Ich legte das Handy zur Seite.
    Â»Natürlich«, erwiderte ich ohne Begeisterung. »Setz dich.«
    An ihrem Hals befand sich seit neuestem ein Tattoo, das allerdings abwaschbar war, wie man mich beruhigt hatte, bevor ich mich aufregen konnte. Am Oberkörper trug sie ein zu knapp sitzendes, bauchfreies Top, an den Beinen eine Uralt-Jeans voller Löcher und Risse. Seufzend plumpste sie auf den zweiten Sessel. »Es ist wegen Sarah.«
    Â»Habt ihr schon wieder Streit?«
    Â»Die ist total unmöglich!«
    Â»Hat es mit der Band zu tun?«
    Erst vor wenigen Monaten hatten meine Töchter überraschend ihr sängerisches Talent entdeckt, ohne mein Wissen an einem Casting teilgenommen und auf diesem Weg einen Produzentenund Manager gefunden, der mit meinen Mädchen als Frontfrauen eine kleine Band zusammenstellte: »The Twins«. Seither hatten sie viel geprobt und leider auch gestritten und den einen oder anderen mehr oder weniger erfolgreichen Auftritt in drittrangigen Clubs absolviert. Inzwischen umfasste ihr Repertoire fast zwanzig Stücke, meist Titel aus den Hitparaden, die das Publikum kannte und mochte. Schon dreimal waren sie in der Zeitung erwähnt worden, einmal sogar mit Foto.
    Betrübt betrachtete Louise ihre zartgliedrigen Hände. Heute waren ihre Fingernägel giftgrün lackiert. Vorgestern waren sie noch blasslila mit Flitter gewesen. »Sarah zickt bloß noch rum. Mal singe ich angeblich einen halben Ton zu tief, mal einen halben Takt zu schnell. Immer, immer weiß sie alles besser!«
    Â»Schließlich ist sie ja auch die Ältere von euch beiden.« Ich quälte mir ein Lächeln ab.
    Â»Die halbe Stunde!«, schnaubte sie und lächelte nicht. Es schien wirklich ernst zu sein. Meine Töchter waren eineiige Zwillinge, schlank, gerstenblond und sahen sich immer noch zum Verwechseln ähnlich. Was bei der Band natürlich zum Konzept gehörte.
    Â»Und was sagt Sam dazu?«
    Sam, das war der ebenfalls noch junge Manager, der sie entdeckt hatte.
    Â»Dem sind wir doch total egal. Der hat ja nicht mal Zeit, zu ’ner Probe aufzutauchen.«
    Â»Und die anderen? Der Schlagzeuger, der Gitarrist?«
    Â»Jo und Pit?« Sie schlug die Augen nieder und schien ein wenig zu erröten. »Ach, die …«
    Bahnte sich hier die erste große Krise der neu gegründeten Band an? Teamprobleme, das kannte ich aus diversen Führungsseminaren, an denen ich in den letzten Jahren hatte teilnehmen müssen.
    Ich nahm einen Schluck von dem dunklen Rioja in meinem Glas. Er war gut, und ich versuchte mich daran zu erinnern, wo ich die Flasche gekauft hatte. Ich kam nicht drauf.
    Â»Und jetzt?«, fragte ich.
    Â»Weiß nicht«, murmelte Louise und malte mit dem Zeigefinger Figuren auf die Tischplatte. »Könntest du nicht mal mit ihr reden?«
    Â»Wo steckt Sarah überhaupt?«
    Â»Na, im Bad, wo sonst? Da ist sie ja immer. Ständig guckt sie in den Spiegel. Morgens steht sie extra eine halbe Stunde

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