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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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früher auf, damit sie sich ordentlich aufbrezeln kann!«
    Ich versuchte einen Trick, den ich in einem meiner Seminare gelernt hatte: »Was müsste passieren, damit alles wieder so wäre wie früher?«
    Â»Sie müsste bloß wieder normal werden. Und nicht mehr ständig rumzicken. Meinst du, sie wird jetzt langsam erwachsen?«
    Aus dem Bad hörte ich Sarah singen. Es klang, als probe sie eine schwierige Passage aus einem neuen Stück. Meine Töchter hatten tatsächlich Talent, stellte ich wieder einmal fest. Und noch immer war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht.
    Am Montagmorgen saß ich trotz meiner guten Vorsätze doch wieder in der Soko-Besprechung. Vor mir selbst rechtfertigte ich meine Inkonsequenz damit, dass ich ein wenig auf Balke aufpassen musste. Gestern hatte er wirklich keine gute Figur gemacht. Heute hatte er seinen eigenen Laptop mitgebracht und sich des Beamer-Kabels bemächtigt, bevor jemand ihm zuvorkommen konnte. Heute war er auch ordentlich rasiert und ergriff das Wort, ohne dass man ihn dazu eindringlich ansehen musste.
    Â»Das ist alles ziemlich komisch.« Schon sein erster Satz ließ mich fürchten, dass der Fall doch nicht so einfach war, wie ich gehofft hatte. »Die Frau ist amtlich nicht gemeldet, in keiner unserer Dateien taucht eine Anita Bovary auf, es gibt kein Handy, jedenfalls nicht in Deutschland, das auf diesen Namen läuft.«
    Â»Vielleicht ist ihr Haus abgebrannt?«, grübelte Runkel mit dem Zeigefinger an der Nase. »Oder sie ist ausgeraubt worden? Oder sie stammt aus dem Ausland und ist erst vor Kurzem …?«
    Â»Sie hat Deutsch gesprochen«, unterbrach ihn Balke grob. »So viel wissen wir immerhin schon.«
    Â»Die ist vor irgendwas auf der Flucht gewesen«, spekulierte Evalina Krauss mit gerunzelter Stirn. »Die hat sich vor irgendwem versteckt.«
    Â»Leider nicht gut genug«, sagte ich.
    Balke drückte eine Taste, eine Liste erschien auf der Leinwand.
    Â»Aber es gibt schon ein bisschen Licht am Ende des Tunnels. Eine junge Frau, die auf demselben Stockwerk ganz hinten links wohnt, will gestern Morgen gegen drei Uhr einen Mann beobachtet haben, der auffallend eilig das Haus verlassen hat.«
    Â»Ich glaube, die Frau habe ich gesehen«, sagte ich langsam. »Aber sie ist doch erst nach fünf heimgekommen.«
    Â»Sie ist früher schon mal kurz zu Hause gewesen, sagt sie, weil ihr irgendein Knallkopf in der Disco eine Bloody Mary über die Bluse gekippt hat.«
    Balke drückte eine Taste. Der Mann, dessen Phantombild wir nun bewundern durften, mochte zwischen dreißig und fünfzig Jahre alt sein. Das Gesicht war hager und glatt rasiert. Die Augen lagen tief in den Höhlen.
    Â»Käseweiß sei er gewesen.« Balke starrte so konzentriert auf das Bild, als wollte er so die Motive des Unbekannten ergründen. »Und sehr eilig habe er es gehabt. Hat sie in der Haustür praktisch über den Haufen gerannt. Was er anhatte, kann sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglicherweise eine Lederjacke, schwarz oder dunkelbraun. Aber die Zeugin sagt selbst, sie sei ziemlich angeschickert gewesen. Er hat nicht gerade wohlhabend gewirkt, nicht besonders gut gerochen und ist anscheinend in heller Panik gewesen.«
    Â»Hat er etwas in der Hand gehalten?«, fragte ich aufmerksam.
    Â»Kann die Zeugin nicht mit Bestimmtheit sagen«, erwiderte Evalina Krauss, bevor Balke den Mund aufbekam. »Ich habe selbst mit ihr gesprochen. Das sei alles so rasend schnell gegangen, sagt sie, und es war ja auch dunkel. Sie meint, er könne eventuell auch der Typ gewesen sein, der den Aufzug vollgekotzt hat. Die Schweinerei hat jedenfalls schon da gelegen, als sie einsteigen wollte.« Sie holte tief Atem. »Sie hat dann lieber den anderen Aufzug genommen.«
    Â»Wir hatten schon schlechtere Phantombilder«, stellte ich fest.
    Â»Ich lasse gerade fünfhundert Handzettel drucken«, sagte Balke. »Die werden noch heute im Umfeld des Tatorts verteilt.« Er räusperte sich, da einige angefangen hatten zu tuscheln. Es wurde wieder still. »Der Knaller kommt aber noch«, fuhr er fort. »Frau Bovary hat in der Nacht vermutlich nicht allein im Bett gelegen. Die Spusi hat Haare gefunden, die nicht von ihr stammen. Ein paar Sackhaare und auch welche vom Kopf. Die einen waren schwarz, die vom Kopf ziemlich lang für einen Kerl und schon

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