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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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ein bisschen angegraut. Und unsere Zeugin meint nun, der Typ, mit dem sie in der Haustür zusammengerasselt ist, könnte lange Haare gehabt haben.«
    Â»Hatte die Tote in der Nacht Geschlechtsverkehr?«
    Â»Nach dem ersten Augenschein nicht, meint die Gerichtsmedizin. Aber die Autopsie ist natürlich noch nicht abgeschlossen.«
    Â»Was hat die Spurensicherung sonst noch zu bieten?«
    Balke zog eine säuerliche Grimasse. »Bisher leider wenig. Ein bisschen Sand, ein paar Körner.«
    Â»Körner?«
    Â»Sonnenblumenkerne.« Ratlos hob er die muskulösen Schultern, die sich unter seinem olivgrünen T-Shirt abzeichneten, und kratzte sich am Oberarm. »Da steht ein kleines Tischchen neben der Balkontür. Und darum herum sind Reste von feinem Sand am Boden.«
    Â»Die hat einen Vogel gehabt«, meinte einer, und ein paar lachten.
    Für Sekunden blieb es still. Jedem im Raum war klar, dass das Phantombild, das uns immer noch von der Wand herab mit dunklen Augen anstarrte, mit hoher Wahrscheinlichkeit Anita Bovarys Mörder zeigte.
    Balke erhob sich zum Zeichen, dass die Sitzung beendet war. »Heute Abend wissen wir mehr. Gehen wir an die Arbeit.«
    Nun begann das Übliche: Die Publicity des menschlichen Unglücks, die uns oft genug die Aufklärung eines Falles liefert, bevor die Ermittlungen richtig in Gang gekommen waren.Fotos in Zeitungen, Berichte in Radio und Fernsehen, Aktuelles auf den Internetseiten der Polizeidirektion Heidelberg. Parallel dazu sammelten meine Untergebenen akribisch alle greifbaren Informationen, und mochten sie auf den ersten Blick noch so nebensächlich und unbedeutend scheinen. Der Rest war Warten.
    Warten auf Gutachten.
    Warten darauf, dass jemandem das Foto des Opfers in der Zeitung bekannt vorkam oder das Phantombild des potenziellen Täters.
    Warten auf einen Geistesblitz, einen Telefonanruf, die entscheidende E-Mail.
    Nicht nur die Öffentlichkeit, auch die Zeit arbeitete meist für uns.
    In meinem Büro war es ungewöhnlich still an diesem Montag. Der Schnee draußen verschluckte die Geräusche des ohnehin spärlichen Verkehrs. Heidelberg schien unter der ungewohnten weißen Pracht erstarrt zu sein. Die heiße Phase der weihnachtlichen Familientragödien und handgreiflichen Ehekräche anlässlich alkoholgesättigter Silvesterfeiern war vorüber. Die trübe Kälte vor den Fenstern schien jede Emotion zu ersticken. Bis auf die Küstenregionen lag ganz Deutschland unter einer dicken Schneedecke. In den Alpentälern steckten Tausende Skiurlauber fest, weil die Schneefräsen nicht mehr durchkamen. Der Neckar war zum ersten Mal seit vielen Jahren zugefroren, erste Waghalsige fuhren schon Schlittschuh darauf oder riskierten einen Spaziergang auf der glatten Ebene. Der Verkehr schleppte sich durch die Straßen, manche Autofahrer, solche Schikanen der Witterung nicht gewohnt, kamen schon beim Anblick der weißen Pracht ins Schlingern, und selbst die Kriminellen schienen vorsichtshalber auf Tauwetter zu warten, bevor sie sich wieder ihrer riskanten Tätigkeit widmeten. In Weinheim hatten die dortigen Kollegen in der vergangenen Nacht einen Tankstellenräuber einfach dadurch gefasst, dass sie durch die halbe Stadt hindurch und bis zu seiner Garage seinen Reifenspuren im frisch gefallenen Schnee folgten.
    Januar war mein Monat für Statistik. Auf meinem Schreibtischtürmten sich die alljährlichen Datenabfragen, mit deren Hilfe das Innenministerium den dringenden Bedarf an weiteren Mitteln und zusätzlichem Personal begründen würde und die Landesregierung das Gegenteil. Da Kriminaldirektor Egon Liebekind, der Chef unserer Polizeidirektion und mein direkter Vorgesetzter, seit Wochen krank war, musste ich als sein Stellvertreter auch seinen Teil des mühseligen Zahlengefummels erledigen. Fallzahlen, Zunahmen und Abnahmen, Aufklärungs- und Fehlquoten, Krankheitstage, gefahrene Kilometer, verfallene Urlaubstage, verbrauchtes Benzin, gestiegene Telefonkosten, Verlustmeldungen. Selbst für die Menge des im vergangenen Jahr verbrauchten Klopapiers interessierte sich jemand in Stuttgart. Hier konnte ich sogar einen kleinen Erfolg melden: Es war uns gelungen, diese Kosten um sensationelle fünfkommadreiacht Prozent zu senken. Wie, entzog sich meiner Kenntnis. Vermutlich hatte ich mich bei den Zahlen vor einem Jahr einfach nur verrechnet.
    Liebekind schien dieses Mal einen besonders

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