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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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nach acht Jahren Hölle von mir übrig blieb. Michael Durian ist in den ersten vier Wochen hinter vergitterten Fenstern und Stahltüren gestorben. Und Sie …«, plötzlich war sein Blick wieder ausdruckslos und kalt, »… Sie sind sein Mörder.«
    Ich rieb mir das Gesicht. Fühlte, dass ich eine Rasur nötig hatte.
    Â»Sehen Sie, Herr Gerlach«, fuhr Durian fort, nachdem er einige Sekunden geschwiegen hatte, »ich habe durch Sie acht Jahre Verzweiflung ertragen müssen. Ein schneller Tod, wie bei den anderen, ist für Sie deshalb nicht angemessen. Aber Sie werden nicht acht Jahre leiden müssen. Sie werden diese bodenlose Leere, die Unendlichkeit der Zeit nicht erleben müssen, die zu nichts, nichts, nichts nütze ist. Die Enge, mit einem fremden Menschen zusammen, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Aber eine kleine Kostprobe davon sollen Sie bekommen.«
    Â»Ich habe keine Lust, mit Ihnen über unser Strafrecht zu philosophieren, obwohl ich Ihnen manches zu diesem Punkt sagen könnte. Jedenfalls sind Sie nicht auf Grund eines Justizirrtums eingesperrt worden.«
    Â»Philosophieren Sie nur. Es ist mein Wunsch, dass Sie verstehen. Dass Sie begreifen, warum ich tun muss, was ich tue. Und noch haben wir ja Zeit.«
    Er lächelte. Mein Mörder lächelte mich tatsächlich an.
    Â»Könnten wir vielleicht die Tür ein wenig …?« Ich wies mit dem Kopf nach rechts. »Man erstickt ja hier drin.«
    Â»Leider nein.« Ernst schüttelte er den schmalen Kopf. »Sie könnten auf dumme Gedanken kommen. Jemand könnte Sie sehen und die falschen Schlüsse ziehen, obwohl es hier sehr einsam ist. Ich kann vorne ein Fenster öffnen, wenn Sie versprechen, sich ruhig zu verhalten. Obwohl Sie ohnehin niemand hören würde.«
    Er ging nach vorn, musste zu diesem Zweck einen speckigen Vorhang zur Seite schieben, blendende Helligkeit flutete herein. Nach Sekunden kam er zurück, und tatsächlich schien mit ihm frische Luft hereinzuströmen. Den Vorhang ließ er einen Spalt offen.
    Â»Später, wenn Sie gezeigt haben, dass Sie vernünftig sind, können wir auch über bequemere Lösungen nachdenken«, sagte er, als sei ihm die Situation peinlich. »Aber im Moment, Sie werden verstehen …«
    Sogar an eine Toilette hatte er gedacht. In der Ecke neben den Türen stand ein hellblaues Camping-Plumpsklo, und leider verspürte ich bei seinem Anblick sofort den unwiderstehlichen Drang, es zu benutzen. Durian bemerkte meinen Blick und erhob sich.
    Â»Ich lasse Sie allein«, sagte er und verschwand wieder nach vorne. Ich hörte, wie er ausstieg, fühlte wieder das Schwanken des Wagens.
    Es kostete mich eine Menge Überwindung, die Hose herunterzulassen und zu tun, was unvermeidlich war. Es war peinlich, ekelerregend, zutiefst entwürdigend.
    Neben dem Klo entdeckte ich meinen Mantel am staubigen Blechboden. Die Taschen waren leer. Wo der Dreckskerl wohl mein Handy versteckt hatte?
    Â»Ein nicht zu verachtender Unterschied zum Leben in einer Zelle«, sagte Durian, als er vielleicht zehn, vielleicht zwanzig Minuten später zurückkam. »Dort sind Sie niemals allein. Nicht einmal, wenn Sie Ihre urmenschlichsten Bedürfnisse verrichten.«
    Er wirkte wacher als vorhin, energischer. Seine Gesichtsfarbe war frischer. Der Morgenspaziergang schien ihm gutgetan zu haben. Er roch, als hätte er draußen geraucht.
    Hier drin würde es bald stinken wie in einem Viehstall. Falls es das nicht längst tat. Ich erinnerte mich an den muffigen Geruch, der mir gleich zu Beginn in die Nase gestiegen war. Vermutlich hauste Durian schon längere Zeit in seinem schäbigen Wohnmobil. Keine schlechte Taktik übrigens, wenn man sich verstecken muss.
    Längst saß ich wieder auf meiner Kiste, in meine Decken gewickelt, war immer noch benommen und schon wieder erschöpft. Sollte er mir etwas in den Kaffee getan haben? Durian räumte auf, faltete die leeren Tüten sorgfältig zusammen, wischte Krümel mit der Hand zusammen, warf sie vorne aus dem Fenster.
    Dann fuhren wir weiter.

31
    Durian hatte darauf verzichtet, mich wieder in den Sarg zu sperren. Ich hockte darauf, die Hände frei, die Beine gefesselt mit Nylonkabelbindern, die sich ohne scharfes Werkzeug nicht zerstören ließen, wurde hin und her geschaukelt und dachte lange Zeit nichts. Das Licht hatte er ausgeschaltet, den Vorhang im

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