Eiskaltes Schweigen
bevorzuge Tee.«
Jetzt? Ich hatte die Hände frei. Er war abgelenkt, mit seinem Wasserkocher beschäftigt. Obwohl meine FüÃe noch zusammengebunden waren, hätte ich mich auf ihn stürzen können. Andererseits â er war bewaffnet. In seiner einen Manteltasche steckte meine Dienstwaffe, in der anderen das Messer. Das Messer, mit dem er bereits drei Menschen getötet hatte. Ich beschloss, mich erst einmal ruhig und kooperativ zu verhalten. Ich musste Kräfte sammeln, auf die richtige Gelegenheit warten. Ich war noch nicht wieder in der Verfassung für einen Kampf. Und ich brauchte Zeit, um die Lücke in seinem Plan zu entdecken. Den Fehler, der mich hoffentlich überleben lieÃ.
Offenbar hatte er nicht vor, mich demnächst zu töten. Er machte ja sogar Frühstück für mich. Das WeiÃbrot duftete.
»Tee oder Kaffee?«, wiederholte Durian seine Frage ungeduldig.
»Kaffee.«
Folgsam brühte er einen Schnellkaffee auf. Vermutlich eine bittere Plörre, aber sie roch göttlich. Ich war hungrig, wurde mir bewusst. Meine Zunge klebte am trockenen Gaumen. Hunger war gut, denn ich musste essen. Ich musste bei Kräften bleiben. Aber nicht zu schnell. Nicht zu auffällig. Nichts überstürzen jetzt, bloà nichts überstürzen.
»Was ist mit ihr?«, fragte ich wieder, als er auf seinem Klappstuhl saà und das Baguette mit nervösen Bewegungen in groÃe Stücke mehr riss als schnitt.
»Das ist ein Punkt, über den ich vorerst schweigen möchte.«
Ungeschickt strich er Butter auf ein Stück Brot, das er der Länge nach aufgebrochen hatte. Das Messer schien vollkommen stumpf zu sein. Blechbesteck, wie es in Kantinen benutzt wird.
Ich schluckte eine scharfe Antwort hinunter. Er war zurzeit der Boss. Es hatte keinen Sinn, ihn zu verärgern. Jetzt gab es erst einmal Frühstück, und später würde man sehen. Jede Minute, die mir blieb, war eine Minute für mich. Eine Chance, den entscheidenden Fehler in seinem Plan zu finden.
»Das heiÃt, sie ist immer noch eingesperrt?«, bohrte ich weiter, als wir beide satt und auf merkwürdige Weise entspannt nebeneinandersaÃen und ich die letzten Schlucke des nicht einmal so üblen Kaffees schlürfte. »Das ist gegen unsere Abmachung!«
Allmählich wurde mir wärmer. Das Zittern war fast verschwunden, und ich konnte den Mund öffnen, ohne dass meine Zähne sofort zu klappern begannen.
»Es gibt Momente im Leben, da müssen wir alle Opfer bringen«, erwiderte Durian ernst.
»Was heiÃt das?«, brauste ich auf, mäÃigte aber sofort wieder meine Stimme. »Sie haben Ihr Wort nicht gehalten? Sie haben gelogen?«
»Ich lüge niemals«, versetzte er und sah mich wieder mit seinem Ãrzteblick an. »Bleiben Sie bitte ruhig.« Das Augenlid hinter dem schmutzigen Brillenglas zuckte. »Es ist niemandem geholfen, wenn wir uns anschreien. Am allerwenigsten Ihrer Geliebten. Ob sie lebt oder nicht, ändert nichts an Ihrer Situation.«
»Oh doch, das tut es«, keuchte ich. »Wenn sie tot ist, dann â¦Â«
»Was dann?«, fragte er kalt. »Sie werden in Kürze sterben, Herr Gerlach. Es gibt kein âºdannâ¹ mehr für Sie. Wir werden gemeinsam sterben, falls das ein Trost für Sie ist.«
»Wann?«
»Sobald es so weit ist.«
»Sie hat nichts mit der Sache zwischen Ihnen und mir zu tun! Sie ist unschuldig! Verstehen Sie das Wort: un-schul-dig?«
Er atmete tief ein und betrachtete eine Weile nachdenklich seinen leeren Teebecher. SchlieÃlich sagte er: »Ihre Geliebte wird überleben, wenn alles nach meinem Plan verläuft. Falls Sie irgendetwas versuchen, etwas Unvernünftiges, Unüberlegtes, dann kann ich für nichts garantieren.« Jetzt sah er mir wieder ins Gesicht. »Die ersten drei Menschen auf meiner Liste wussten nichts von mir. Sie hatten mich ins Unglück gestürzt und meinen Namen schon am nächsten Tag vergessen. Bei Ihnen wird es anders sein. Sie, Herr Gerlach, haben mich nicht nur ins Unglück gestürzt, Sie haben mich getötet. Und deshalb muss Ihre Strafe härter ausfallen. Viel härter.«
»Wie Sie hier sitzen und Tee trinken, wirken Sie eigentlich ganz lebendig.«
»Sie wollen mich nicht verstehen.« Er lächelte traurig. »Was Sie hier sehen, das bin ja nicht ich. Das sind meine kläglichen Ãberreste. Das, was
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