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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Tobsuchtsanfall verschleudert. Zusammengesunken hockte ich auf meiner Kiste, apathisch, schmutzig, wehrlos.
    Mein Unterleib schmerzte von Durians Tritt, an meiner linken Schläfe schien sich eine zweite Beule zu entwickeln. Ich ärgerte mich über die Idiotie meines Angriffs. Es war einfach über mich gekommen, mit einer Macht, gegen die kein Wille half und kein Verstand.
    Durian kam zurück. Keine Ahnung, wie lange er fort gewesen war. Vielleicht hatte ich in der Zwischenzeit wieder geschlafen. Er wirkte erfrischt und machte sich daran, unser Frühstück vorzubereiten. Er schien mir nichts nachzutragen. Wieder roch er nach Zigarettenrauch.
    Â»Heute gibt es leider nur altes Brot«, erklärte er so aufgeräumt, als hätten wir nicht vor Minuten um Leben und Tod gekämpft.
    Mir kam der Verdacht, dass mein sinnloser Überfall Teil seines perversen Plans gewesen sein könnte.
    Â»Hauptsache, Kaffee«, murmelte ich.
    Â»Bei mir hat es vier Wochen gedauert, bis ich zum ersten Mal die Kontrolle verlor«, sagte er später, als ich den wohltuend heißen Kaffee schlürfte und er seinen Tee. »Sie erleben im Zeitraffer, was ich durchstehen musste.«
    Â»Und was ist die nächste Phase?«, fragte ich erschöpft. Meine Augen brannten. Ich war sterbensmüde. »Was kommt jetzt?«
    Â»Die Hoffnungslosigkeit«, erwiderte er ungerührt. »Sie werden keinen Appetit mehr haben, keine Gefühle. Sie werden mich nicht einmal mehr hassen können. Und Sie werden Ihre letzten Hoffnungen verlieren.«
    Ich hatte schon jetzt keinen Appetit. Das alte Weißbrot kaute sich wie Gummi und schmeckte wie feucht gewordene Pappe. Ich würgte ein paar Bissen hinunter, dann ließ ich es bleiben. Wozu essen? Wozu weiterleben? Was war der Tod gegen dieses schmutzige, verschwitzte Elend?
    Immerhin gab es frische Luft. Der Vorhang stand heute weit offen, Durian hatte vorne beide Fenster heruntergekurbelt. Der Himmel war grau und trüb, aber es ging ein leichter, freundlicher Wind, der hin und wieder bis in mein Blechgefängnis drang.

34
    Wir fuhren wieder. Ich hockte auf meiner Kiste wie immer, schaukelte hin und her und vor und zurück, hielt meine Decken am Hals zusammen und starrte vor mich hin. Ich konnte nicht mehr denken und wollte auch nicht mehr. Irgendwann wurde mir bewusst, dass mein Kopf auf meinem Hals herumwackelte wie bei einem dieser künstlichen Hunde, die manche Leute früher auf ihren Hutablagen spazieren gefahren hatten. Wann waren die eigentlich aus der Mode gekommen? Mein Vater hatte auch einen gehabt, einen schwarzen Pudel. Das musste in der Zeit gewesen sein, als wir den hellblauen Ford hatten. Später, im Passat, hatte ich den Hund nicht mehr gesehen. Aber das war ja auch ein Kombi gewesen, wenn ich mich richtig erinnerte, und …
    Halt! Ich musste mich zusammennehmen!
    Es konnte doch nicht sein, dass ich schon nach Tagen – wie vielen eigentlich? – alle Hoffnung fahren ließ, jede Kontrolle über mich verlor!
    Vorne tickte der Blinker, Durian bog ab, und plötzlich wurde das Geschaukel schwächer, die Straße schien jetzt glatter und gerader zu sein. Ich hörte auch Geräusche von entgegenkommendem Verkehr. Eine Weile fuhren wir langsamer, dann überholte Durian, nach dem Klang zu schließen, einen Traktor.
    Plötzlich bremste er, hielt. Ich hörte ihn aussteigen, mit jemandem Französisch sprechen und sogar lachen. Sekunden später klang es blechern von der Beifahrerseite. Wir tankten. Durian tankte. Sogar Leichenwagen brauchen hin und wieder Benzin. Obwohl der Lieferwagen ja ein Diesel …
    Als der Motor wieder ansprang, schrak ich hoch. Immer öfter dämmerte ich jetzt für Sekunden weg. Und ich wusste schon jetzt, dass ich auch in der kommenden Nacht schlecht schlafen würde.
    Zu Mittag gab es irgendeinen ekligen Gemüseeintopf, wieder aus der Dose. Wieder brachte ich fast nichts herunter. Durian hingegen löffelte seinen Teller schweigend leer, bot frisches Baguette an, das er an der Tankstelle gekauft hatte. Ich zwang mich, wenigstens davon zu essen. Ich musste bei Kräften bleiben, unbedingt.
    Dazu tranken wir Wasser aus großen Kunststoffflaschen.
    Â»Es ist ganz schön gewagt, was Sie und Ihre verheiratete Geliebte treiben«, sagte Durian in das Schweigen hinein mit einem kleinen, listigen Lächeln.
    Er genoss meine Überraschung sichtlich, und ich hasste

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