Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
plötzlich mit Gesetzeshütern konfrontiert sieht, oder ob etwas nicht stimmt. Durian hatte eineSpur zu nervös reagiert, ein wenig zu laut gelacht, und nur deshalb hatten sie ihn gebeten, auszusteigen und einen Blick in sein Fahrzeug werfen zu dürfen.
    Â»Er hat mir erzählt, er habe in Heidelberg eine Frau entführt«, unterbrach ich Schwarzwälders langatmigen Bericht.
    Â»Eine Frau?«
    Â»Er habe sie irgendwo versteckt. Möglicherweise ist sie in akuter Lebensgefahr.«
    Â»Von einer Frau weiß ich nichts«, erwiderte er und sah mich ratlos an. »Ihre Kollegen haben nichts davon gesagt. Wie soll die Frau denn heißen?«
    Â»Das weiß ich nicht.«
    Schwarzwälder betrachtete mich noch zwei Sekunden lang besorgt, dann senkte er den Blick und sprach weiter.
    Bald war den Franzosen klar gewesen, um wen es sich bei dem Todesschützen handelte und wer hinten in seinem klapprigen Lieferwagen saß. Von nun an waren wir nie mehr allein gewesen. Schwarzwälder hatte bald achtundzwanzig Zivilfahrzeuge auf der Straße und über hundertdreißig Polizistinnen und Polizisten im Einsatz gehabt. Von all diesen Fahrzeugen hatte Durian keines mehr als einmal zu Gesicht bekommen. Sobald wir standen, hatten Richtmikrofone auf uns gezielt, Vangelis und Balke wurden als Dolmetscher eingeflogen, und so hatten die Kollegen zum Glück sehr bald gewusst, dass sie den Wagen nicht einfach stoppen und stürmen durften.
    Auf ein Krankenhaus hatte Schwarzwälder gewartet, über dreißig Stunden lang. Bei einem solchen Einsatz ist es wichtig, lebenswichtig, eine leistungsfähige Klinik in der Nähe zu haben mit bereitstehenden Operationsteams und alarmierter Notaufnahme.
    Der gemütliche Commissaire hatte zwei Gruppen und einen Einzelkämpfer eingesetzt: Der Fahrer des Wagens mit defektem Auspuff – in seiner Freizeit passionierter Rallyefahrer – hatte die Aufgabe gehabt, Durian abzulenken, im richtigen Moment zu überholen, von einem zum exakt richtigen Zeitpunkt entgegenkommenden Kleinbus in die Klemme genommen zu werden, Durian zu rammen und so zum Stehen zu bringen. Gruppe eins saß in diesem Kleinbus, spielte nach der harmlosen Kollisioneinen angesäuselten Kegelverein und verwickelte Durian in ein launiges Gespräch, während Team zwei, von Durian möglichst lange unbemerkt, von hinten aus dem Wald stürmte. Team eins hatte die Aufgabe gehabt, Durian so lange wie irgend möglich im Glauben zu halten, es handle sich wirklich nur um einen dummen kleinen Verkehrsunfall, wobei jede Sekunde zählte, während Team zwei daran ging, die rückwärtigen Türen aufzusprengen.
    In dem Augenblick, als die Haftladung explodierte, hatte Durian auf einmal in die Läufe zahlloser Waffen geblickt. Die Zeit, die blieb, bis er realisierte, was geschehen war und die Hand ausstreckte, um meine Pistole zu zücken, genügte, mich hinten aus dem Wagen zu zerren und in Sicherheit zu bringen. Sie hatten nur einen einzigen Versuch gehabt, das war jedem Beteiligten klar gewesen. Schwarzwälder selbst hatte eine Chance von fünfzig Prozent gesehen, dass es schiefgehen könnte. Dass ich meine Befreiung nicht überleben würde.
    Er hatte mir einige Dinge mitgebracht, die sie im Lieferwagen gefunden hatten: meinen – sogar sauber gebürsteten – Mantel, Handy, Brille, Armbanduhr, das Portemonnaie. Immer noch in weißes Papier eingewickelt, kam auch Theresas blutbefleckte Perlenkette zum Vorschein. Schwarzwälder wollte wissen, ob ich mir einen Reim darauf machen könne, was ich vielleicht etwas zu hastig verneinte. Theresas erst wenige Wochen altes Hightech-Handy war nicht dabei.
    Noch jemand war in der vergangenen Nacht ärztlich versorgt worden: Sven Balke. Er war an vorderster Front von Team eins gewesen und hatte einen Streifschuss abbekommen, die einzige Kugel, die Durian abgefeuert hatte. Vermutlich hatte er den Ehrgeiz gehabt, Durian aus dem Wagen zu zerren und zu verhaften. Seine Wunde war jedoch nicht allzu schlimm, und er würde bald wieder gesund sein.
    Sowie der Commissaire gegangen war, bat ich eine der Schwestern, ein Ladegerät für mein prähistorisches Siemens-Handy aufzutreiben. Leider ohne Erfolg.
    Nach dem für französische Verhältnisse kärglichen Mittagessen erschienen die Zwillinge. Sie waren ein wenig verlegen, wie es die meisten Menschen bei einem Krankenbesuch sind.

Weitere Kostenlose Bücher