Eiskaltes Schweigen
krankhaft eifersüchtig, völlig pathologisch. Irgendwann konnte ich das nicht mehr länger mit ansehen und habe Tacheles mit ihr geredet, und dann hat sie ihm endlich die Koffer vor die Tür gestellt. Armin hat erst gewinselt, dann gejammert und schlieÃlich â wie üblich â gebrüllt. Am Ende musste sie sogar die Polizei rufen und ihn hinauswerfen lassen. Dann war für zwei, drei Monate Ruhe. Erst später, das war Mitte Oktober, da ist er noch mal hier aufgekreuzt, aus irgendeinem Grund hat sie ihn hereingelassen, und schon war oben wieder Geschrei.«
»Hat er sie bedroht?«
»Er hat ihr einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie sich anschlieÃend für eine Weile aus der Schusslinie brachte.«
»Wo finden wir diesen Herrn Kettenbach? Was arbeitet er? Wo wohnt er?«
In der Küche fiel etwas scheppernd zu Boden. Der Koch fluchte unterdrückt.
»Armin stammt aus Bayern, Rosenheim, glaube ich. Von Beruf ist er Koch. Zuletzt hat er hier im Queens gearbeitet. Ob er dort noch ist, kann ich Ihnen nicht sagen.«
Auf meine Bitte hin erzählte Susanne Heinemann von ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit Anita Bialas. Sie hatten sich bereits während der Ausbildung beim VEB Bergmann-Borsig kennengelernt.
»Meine Eltern haben damals in Wilhelmsruh gewohnt, sozusagen gleich hinterm Werkzaun. Mein Vater war auch schon bei Borsig gewesen und Opa auch. Anita stammte aus Pankow. Das war aber auch nicht weit weg.«
»Was war das für eine Ausbildung?«
»Wirtschaftskauffrau.«
»Und wie alt waren Sie da?«, fragte Evalina Krauss.
»Ich siebzehn, Anita achtzehn. Wir haben beide in der Buchhaltung angefangen und uns gleich gemocht. Sind aber nicht lange geblieben. Es gab Ãrger, weil uns die Leiterin ständig schikaniert hat. Soll früher Aufseherin in einem KZ gewesen sein, hat man gemunkelt. Wir haben uns dann versetzen lassen, in die Personalabteilung. Zum Glück ging das, und da war es besser.«
»Und wie war sie so?«, fragte meine junge Kollegin weiter.
»Anita war freundlich und offen. Manchmal ein bisschen zu blauäugig. Und hübsch, ja. Hübscher als ich, jedenfalls. Aber ein bisschen â¦Â na ja, zu harmlos, zu leichtgläubig. Und sie hatte das Talent, immer an die falschen Kerle zu geraten. Ihr Erster war ein Kollege aus der Produktion. Fünfundzwanzig schon, und natürlich war der Dreckskerl verheiratet und hatte zwei Kinder. Keine drei Monate später war die gute Anita schwanger und um ein paar Illusionen ärmer. Sie hat es dann wegmachen lassen. Ich habe ihr geholfen, kannte da wen. Eine Hebamme, die â¦Â Sie wissen schon. Anita war völlig hilflos in solchen Sachen.«
»Und später sind Sie in den Westen?«, fragte ich.
Frau Heinemann nickte. Allmählich wurde sie ruhiger.
»Gleich nachdem die Mauer weg war. Anita hat sofort hingeschmissen, am nächsten Morgen schon, und ist rüber. Nach Westberlin. Da hat sie dann gejobbt, in Kneipen und so. Gleichgültig was, wennâs nur der Westen war. Wir hatten diesen real existierenden Sozialismus aber auch satt bis obenhin. Vier Wochen später bin ich ihr nach und habe erst mal bei ihr gewohnt. Ein Zimmer, achtzehn Quadratmeter unterm Dach in Kreuzberg. Aber wir waren jung. Wollten was erleben und nicht bis ans Ende aller Tage mit Briketts heizen.«
»Wie sind Sie nach Karlsruhe gekommen?«
»Ãber eine entfernte Verwandte von mir. Eine Tante, von der ich gar nichts wusste. Mutter hat sie aufgetrieben, und Tante Rieke hat sofort gesagt, âºkomm her, Mädchen, hier unten im Süden ist es tausendmal besser als in Berlinâ¹. Ich habe dann hier auch gleich eine gute Stelle gefunden.«
»Bei der IFS?«
»Das kam später. Angefangen habe ich bei der Volksbank. Die haben damals gerade alles Mögliche auf Computer umgestellt und suchten händeringend Leute. Das gabâs damals noch. Aber nach ein, zwei Jahren habe ich gemerkt, da wirst du nichts. Da sitzt du bis zum jüngsten Tag vor dem PC und tippst irgendwelche langweiligen Sachen ein. Eines Tages habe ich ein Inserat der IFS gesehen. Zwei Wochen später habe ich auf einen Schlag das Doppelte verdient.«
»Haben Sie Frau Bialas nachgeholt?«
»Wir standen die ganze Zeit in losem Kontakt. Und wie Konradin, so hieà mein neuer Chef, fragt, ob ich noch wen wisse, da habe ich ihm Anita genannt. Die hatte die
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