Eiskaltes Schweigen
ja auch gekostet. Aber das mit der Absteige fand Anita interessant, und die Miete war ihr schnuppe. Sie wollte weg, und zwar schnell. Noch am selben Nachmittag hat sie ein paar Sachen gepackt und für Flaubert und sich eine Taxe bestellt.«
»Ein Taxi nach Heddesheim?«
»Zum Bahnhof.« Sie lachte heiser. »So dicke hatte sie es nun auch nicht.«
»Sie haben vermutlich hin und wieder miteinander telefoniert?«
»Sie hatte ja niemanden zum Reden. Ansonsten hatâs ihr aber ganz gut gefallen in ihrer gruseligen Wohnung. Sie hat ziemlich die Sau rausgelassen. Entschuldigen Sie, aber das waren ihre Worte: die Sau rauslassen. Deshalb ist sie auch länger geblieben. Zwei oder drei Mal habe ich sie auch besucht, ihr Sachen gebracht, die sie vergessen hatte. Bücher, ihre warme Strickjacke, die Winterstiefel, die hohen Schuhe für nette Anlässe. Und auch einfach nur so, zum Quatschen.«
»Eine Nachbarin hat einmal eine Frau in einem silbernen Volvo Kombi gesehen.«
»Das war ich. Der Volvo gehört Günther.« Sie machte eine Handbewegung in Richtung Küche, von wo es verführerisch nach Kräutern und Knoblauch duftete. Der begabte Koch sang inzwischen »Yesterday«.
»Hat Herr Kettenbach sich nach ihr erkundigt? Hat er nach ihr gesucht?«
»Armin? Nee. Von dem hab ich später nichts mehr gehört.«
»Hat sich sonst jemand gewundert, wo sie steckt?«
»Nein. Doch, warten Sie. Einmal, das muss Mitte November gewesen sein. Da hat tatsächlich jemand angerufen und wollte Anita sprechen. Das war alles sehr merkwürdig. Schon die Stimme klang ganz komisch. Dumpf irgendwie. Ich könnte nicht mal sagen, ob das ein Mann oder eine Frau war. Ich wollt dann erst mal wissen, was er oder sie eigentlich von Anita wollte. Und da hat er praktisch mitten im Satz einfach aufgelegt.«
»Einen Namen hat der Anrufer vermutlich nicht genannt.«
»Nein.«
»Und sonst war nichts?«
»Sonst war nichts.« Susanne Heinemann nieste zweimal und schlug die Augen nieder. Als sie wieder aufsah, hatte sie Tränen in den Augen, die nicht vom Schnupfen kamen. »Das geht doch nicht!«, flüsterte sie. »Man kann doch einen Menschen nicht einfach so â¦Â Das geht doch nicht!«
»Susilein, Happi-Happi ist fertig!«, tönte es fröhlich aus der Küche.
12
Inzwischen war es Rolf Runkel gelungen, den ehemaligen Lebensabschnittsgefährten von Anita Bialas aufzutreiben, den eifersüchtigen Armin Kettenbach.
»Genf!«, verkündete er stolz. »Er arbeitet in Genf in einem Fünf-Sterne-Hotel.« Mit groÃer Geste überreichte er mir einen kleinen Notizzettel.
Sheraton, las ich und wählte auch gleich die daneben stehende Nummer. Es dauerte eine Weile, bis ich mit dem Gewünschten verbunden wurde. Die perfekt Deutsch sprechende Dame in der Telefonzentrale gab mir zu verstehen, man schätze es nicht, wenn Angestellte des Hotels während der Arbeitszeit private Telefongespräche führten. Erst das Wort Kriminalpolizei führte zum Erfolg.
»Kettenbach!«, fuhr mich eine unwirsche Stimme an. »Was gibtâs?«
Ich stellte mich vor.
»Polizei?« Er dämpfte seine Stimme. »Aber â wieso â¦?«
»Es geht um Ihre ehemalige Lebensgefährtin, Frau Bialas.«
»Anita? Hat sie was angestellt?«
Ich versuchte es mit einem Ãberfall: »Wo waren Sie in derNacht von Samstag, den siebzehnten Januar, auf Sonntag, Herr Kettenbach?«
»Das war vor etwas mehr als einer Woche.« Meine Frage schien ihn nicht zu überraschen. Für Sekunden hörte ich nur seinen Atem. »Jetzt hab ichâs: Da hab ich Dienst gehabt. Eigentlich sollt ich an dem Abend freihaben, aber dann hat unseren Sous-Chef die Grippe erwischt.«
Sein bayerischer Akzent war schwach, aber unverkennbar.
»Kann das jemand bestätigen?«
»Was soll die Fragerei? Ich kann Ihnen unseren Dienstplan rüberfaxen. Und die ganze Brigade kann das bestätigen, dass ich Dienst gehabt hab. Das sind dreizehn Leute. Wir haben an dem Wochenende einen Kongress von irgendwelchen Ãl-Managern im Haus gehabt. Aber vorher verraten Sie mir erst mal, was ist mit Anita? Steckt sie in Schwierigkeiten?«
»Sie ist tot, es tut mir leid. Sie wurde ermordet.«
»Tot? Aber â¦Â Das â¦Â Doch nicht in der Nacht, nach der sie mich grad gefragt haben? HeiÃt das etwa,
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