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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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des ehemaligen Bankers.
    Ich erkannte ihn, ohne je ein Bild von ihm gesehen zu haben. Er saß auf einer rot gepolsterten Bank an der Wand und sah uns müde entgegen. Ein schwerer Mann mit dicken Tränensäcken, weit jenseits der sechzig, dessen verdrossene Miene verriet, dass er mit dem Verlauf seines Lebens unzufrieden war. Er trug einen zerknautschten, dunkelbraunen Cordanzug, der sicherlich einmal teuer gewesen war, dazu ein fast weißes Hemd und eine akkurat gebundene, altmodisch gemusterte Seidenkrawatte. In seinem Mundwinkel hing eine qualmende Seemannspfeife, vor ihm stand ein großer Cognacschwenker. Wir begrüßten uns, ichbestellte ein alkoholfreies Bier, Evalina Krauss eine Cola. Dann kam ich ohne Umschweife zur Sache.
    Â»Ist Ihnen in der Zwischenzeit eine Idee gekommen, wer Frau Bialas getötet haben könnte? Wer vielleicht Grund hat, sie zu hassen?«
    Â»Nein.« An Degenhardts rechtem Ringfinger steckte ein goldener Siegelring mit schwarzer Platte, am linken Handgelenk entdeckte ich eine ebenfalls goldene Uhr mit fein geflochtenem Gliederarmband. »Ich habe nie bemerkt, dass sie mit jemandem Streit gehabt hätte. Sie war eine dumme Schnepfe, aber das ist ja leider kein Grund, jemanden umzubringen.« Plötzlich sah er auf. »Jetzt fällt mir ein: sie hatte mal Ärger mit ihrem Mann. Will sagen, mit ihrem Lebensgefährten oder wie man das heute nennt. Jedenfalls waren die beiden nicht verheiratet. Aber um diese Dinge habe ich mich nicht groß gekümmert. Was unsere Leute außerhalb der Arbeit getrieben haben, war ihre Privatangelegenheit. Und ihre Arbeit hat die Anita im Großen und Ganzen ordentlich gemacht. Pünktlich, zuverlässig, zur vollen Zufriedenheit. Was man eben so in ein Zeugnis schreibt.«
    Â»Wie lange kannten Sie sie schon?«
    Degenhardt saugte ungeduldig an seiner Pfeife, die offenbar nicht recht brennen wollte. Neben dem Cognacschwenker lagen eine dunkelblaue Tabakdose mit englischer Beschriftung und ein Pfeifenbesteck, das gewiss nicht aus dem Kaufhaus stammte. Langsam leerte er sein Glas, als kostete es ihn Überwindung. Kaum hatte er es abgestellt, stand schon der nächste Cognac vor ihm. Die vollschlanke Bedienung mit rabenschwarzem Bubikopf bewegte sich lautlos und geschickt. Aus den Lautsprechern in den Ecken klang leise Blues-Musik, die ich nicht kannte.
    Â»Die Anita ist schon dabei gewesen, wie ich zur IFS gekommen bin«, sagte Degenhardt, nachdem er seine Kehle freigehustet hatte. »Also ungefähr zehn Jahre. Vorher war ich bei der Deutschen Bank.«
    Â»Darf ich fragen, weshalb Sie gewechselt haben?«
    Â»Die IFS hat besser bezahlt. Das Grundgehalt war nicht besonders, aber die Prämien und Boni, die konnten sich schonsehen lassen. Da sind die Amis dynamischer als wir hier. Erfolgsorientierter.«
    Â»Mit weltbewegendem Erfolg, wie man zur Zeit sieht«, konnte ich mir nicht verkneifen zu bemerken.
    Lustlos begann er, in seiner Pfeife herumzustochern. »Wem sagen Sie das.« Bisher hatte er mir noch kein einziges Mal ins Gesicht gesehen. »Vor zwei Jahren bin ich noch Millionär gewesen, zumindest auf dem Papier. Und soll ich Ihnen sagen, was ich heute bin?« Seine Miene wurde noch eine Spur verdrossener. »Wir hier, in unserer Filiale, wir haben nie Geschäfte gemacht, deren Risiko wir nicht einschätzen konnten. Nicht wir sind bankrott gegangen, müssen Sie wissen, sondern unsere amerikanische Mutter.«
    Â»Und was machen Sie heute?«
    Â»Nichts. Ich bin achtundsechzig. War sowieso Zeit, mit dem Wahnsinn aufzuhören. Und ein bisschen ist ja zum Glück übrig geblieben von meinem schönen Geld.«
    Degenhardt leerte seinen zweiten Cognac zur Hälfte und sah mich an mit einer Miene, als litte er an einem Magengeschwür. Das kleine Lokal war heimelig eingerichtet. Viel dunkles Holz, kleine, runde Tische und offenbar kein Rauchverbot.
    Â»Was sind das eigentlich für Geschäfte gewesen, die die IFS gemacht hat?«, wollte Evalina Krauss wissen. »Wenn ich richtig verstanden habe, dann war das ja keine normale Bank mit Schaltern und so. Und was genau hat Frau Bialas dabei gemacht?«
    Â»Sie haben recht. Bei uns konnten Sie kein Konto eröffnen und kein Geld einzahlen. Wir haben Anlageberatung gemacht und Kreditvermittlung. Hauptsächlich für Firmen, aber auch für Privat. Das zweite war Anitas Aufgabe. Bei ihr ging’s vorwiegend um

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