Eiskaltes Schweigen
Sie mich erschreckt!«
Die schlanke Frau und ich waren in der Haustür um ein Haar zusammengestoÃen, als ich gerade den Klingelknopf drückenwollte, während sie mit einem Korb am Arm eilig das Haus verlieÃ. Sie lächelte mich misstrauisch an. Offensichtlich war sie auf dem Weg zum Einkaufen und schwer erkältet. Ihr schulterlanges, glattes Haar war leuchtend rot, die Augen seegrün.
»Frau Heinemann, nehme ich an?«
»Sie wollen zu mir?« Erschrocken sah sie abwechselnd Evalina Krauss und mir ins Gesicht. »Worum geht es denn?«
»Wir würden gerne mit Ihnen über Frau Bialas sprechen.«
»Anita? Die ist aber nicht da. Muss das denn ausgerechnet jetzt â¦? Ich wollte eigentlich â¦Â«
Degenhardt hatte recht: sie sprach so hastig, dass sie manche Sätze nicht einmal zu Ende brachte. Wir zückten unsere Dienstausweise.
»Es wird bestimmt nicht lange dauern.«
Beunruhigt machte sie kehrt, und Sekunden später saÃen wir in ihrem Wohnzimmer, das exakt unter dem von Anita Bialas lag. Der Raum war hell und freundlich eingerichtet. Unsere Gesprächspartnerin hatte darauf verzichtet, uns etwas zu trinken anzubieten, und konnte es sichtlich kaum erwarten, uns wieder los zu sein. Ständig tupfte sie sich die Nase, rutschte auf dem Sofa hin und her. Aus der Küche hatte uns im Vorbeigehen ein schnauzbärtiger, vielleicht fünfzigjähriger Mann gegrüÃt, der lautstark mit Kochen beschäftigt war. Er hatte es nicht für nötig befunden, uns die Hand zu geben.
»Ihr Name war früher Breitschwerdt?«, eröffnete ich das Gespräch.
Sie nickte eifrig. »Nun sagen Sie schon, was ist mit Anita?«
»Sie wurde ermordet. Es tut mir sehr leid, das sagen zu müssen.«
Sie schlug die schmale Hand vor den Mund und starrte mich an. »Sie machen Witze â¦? Aber nein, über so was macht man doch â¦Â«
Susanne Heinemann mochte ungefähr so alt sein wie das Mordopfer. AuÃerdem sprach sie ebenfalls mit unverkennbarem Berliner Akzent. Ihre Nase war bemitleidenswert gerötet, die Augen schimmerten fiebrig.
»Ermordet?«, flüsterte sie heiser. »Aber â¦Â wer? Wurde sie â¦Â beraubt? Vergewaltigt?«
»Im letzten Punkt kann ich Sie beruhigen. Haben Sie denn von all dem nichts mitbekommen? Ständig war ihr Foto im Fernsehen und in den Zeitungen.«
»Wir waren in Urlaub, mein Mann und ich, Ski â¦Â Wir waren unter denen, die in den Alpen eingeschneit waren, und sind erst gestern spät abends nach Hause gekommen.«
»Ich habe gehört, Frau Bialas und Sie waren Freundinnen?«
Sie zwinkerte, strich sich fahrig über die Stirn. »Stimmt, das waren wir. Seit â warten Sie â zweiundâ¦, nein, vierundzwanzig Jahren. Wir haben uns bei der Arbeit angefreundet. Damals, in Ostberlin.«
»Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass sie seit Oktober nicht mehr hier war?«
»Natürlich ist mir das aufgefallen. Ich habe ihr ja zu dieser ulkigen Wohnung in Heddesheim verholfen. Und ich kenne auch den Grund, weshalb sie sich dort versteckt â¦Â« Sie warf mir einen unsicheren Blick zu. »Der Grund heiÃt nämlich Armin. Er war ihr letzter â wie soll ich sagen â Freund? Lover? Wilder Ehemann? Die beiden waren eine Weile ziemlich eng miteinander. Aber auf Dauer ging es einfach nicht. Am Ende war es ein ziemliches Drama mit Armin. Ein paar Monate hat er sogar oben bei ihr gewohnt. Erst warâs die groÃe Liebe, wie üblich, aber dann â nun ja, man hat manches gehört von oben.«
»Es gab Streit?«
»Na, die haben sich vielleicht gezofft! Erst hat sie ihn ja angehimmelt, wie wir dusseligen Mädels nun mal sind. Und es waren noch keine vier Wochen rum, schon hat es den ersten Zank gegeben.«
Ich beugte mich vor und sah ihr bei meiner nächsten Frage aufmerksam ins Gesicht. »Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht mögen. Trauen Sie diesem Armin zu, dass er sie getötet hat?«
»Armin traue ich alles Mögliche zu. Aber Mord � Einmal hat sie ein blaues Auge gehabt, und die rechte Backe war geschwollen. Und wie ich sie darauf anspreche, behauptet sie, sie sei gegen die Duschtür gefallen.«
»Die Trennung �«
»War fürchterlich. Mehr für Armin als für Anita. KettenbachheiÃt er übrigens mit Nachnamen. Er ist
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