Eismord
schüttelte Jack die Hand und sah ihm, während er es sagte, in die Augen, als ginge es um ein besonderes Männerritual.
Jack legte sich in einem der vielen Zimmer im Haus von Lloyd Kreeger schlafen. Eine Weile lag er mit einem Handy in der Hand auf dem Rücken und überflog eine Fotogalerie, auf der fast ausschließlich grinsende Teenager zu sehen waren, von denen eine ganze Reihe indianisch aussahen. Dunkelhaarige Mädchen, die Fratzen schnitten oder sich einfach nur kaputtlachten. Die Bilder waren nicht betitelt, doch er war sich ziemlich sicher, welche von ihnen sie war.
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17
D elorme kam ins Dezernat und blieb vor ihrem Schreibtisch stehen. Sie hatte die Gewohnheit, in ihr E-Mail-Postfach zu sehen, bevor sie sich setzte oder auch nur den Mantel auszog. Genau das tat sie in diesem Moment – Cardinal kannte das Geräusch der entsprechenden Tastenanschläge –, während sie einen Schwall kalter, schneenasser Luft um sich verbreitete. Erst danach nahm sie sich die Zeit, den Mantel abzulegen und auszuschütteln, so dass kleine Wassertröpfchen auf seinem Schreibtisch landeten. Sie machte das jedes Mal in voller Absicht und entschuldigte sich anschließend, als wäre es ein Versehen.
»Ich hab eine Idee«, sagte Cardinal. »Mir wird gerade bewusst, dass ich seit 2006 keine Idee mehr hatte, aber eben kommt mir ein Gedanke.«
»Das stimmt nicht, weißt du nicht mehr, damals im August? Du hast gesagt: ›Lass uns mal im Tim Hortons’ vorbeischauen.‹ Das sah dir ähnlich, mir wär das nie in den Sinn gekommen.«
»Diese Nachricht auf deinem Anrufbeantworter ist mir immer wieder durch den Kopf gegeistert, und jetzt sag ich dir mal, was ich davon halte. Ich finde, dieses Mädchen klingt so, als wäre sie First Nations – nicht stark, nicht, dass man es auf Anhieb hört –, du weißt schon, so eine leicht gepresste Sprechweise, die sie manchmal haben? Ein bisschen flache Vokale, und vielleicht einen Hauch mehr durch die Nase?«
»Meinst du?«
»Ich drück mich nicht richtig aus. Hör’s dir noch mal an. Versuch’s mal mit Kopfhörern.«
Inzwischen hatten sie die Nachricht beide auf ihrem Computer. Delorme nahm Platz, setzte sich die Kopfhörer auf und hörte es sich noch einmal an. »Du könntest recht haben«, sagte sie ein wenig zu laut, während der Text noch lief. Sie legte die Hände auf die Ohren und hörte die Nachricht zu Ende an. Sie nahm die Kopfhörer ab und drehte sich auf ihrem Sessel zu ihm um. »Eindeutig. Hätte ich gleich hören müssen.«
»Wenn Randall Wishart also eine Affäre mit einem First-Nations-Mädchen hat, stellt sich die Frage, wie sie sich kennengelernt haben.«
»Sie können sich überall begegnet sein, schließlich lebt sie ja wohl nicht in einem Tipi.«
»Ein Immobilienmakler, der ganz groß rauskommen will und mit einem formidablen Finanzgenie verheiratet ist, hat was mit einem First-Nations-Mädchen am Laufen, und du meinst, sie können sich überall begegnet sein? Hältst du uns wirklich für so multikulturell? Ganz zu schweigen von dem Altersunterschied, der dem Klang nach beträchtlich ist.«
»Vielleicht ist sie umgezogen, und er hat das Haus der Familie verkauft.«
»Schon möglich.«
»Dann lass uns doch Carnwrights Verkäufe aus der letzten Zeit überprüfen. Vielleicht ist ja auch was auf
Lode.
online oder ABdaily.com .«
Cardinal schüttelte den Kopf. »Hab ich schon nachgesehen. Nichts Brauchbares zu finden. Aber dann kam mir der Gedanke, dass es im Internet wahrscheinlich mehr über Laura Carnwright als über ihn gibt. Da hing ich gerade fest, als du reinkamst und mir Schnee über den ganzen Schreibtisch geschüttelt hast.«
In den nächsten Minuten war an ihren beiden Schreibtischen nur das Klappern der Tastatur zu hören. Am anderen Ende des Großraumbüros brüllte Ian McLeod gerade seinen Anwalt an. McLeod war, so hatte Delorme es einmal ausgedrückt, wie geschaffen für die Scheidung, so wie andere für die Armee oder das Priesteramt geschaffen sind.
Bevor sie die verschiedenen Überschriften anklickten, lasen sie sie einander vor:
Laura Carnwright immer höher im Kurs … Laura Carnwrights neuer Bebauungsplan zum West End … Laura Carnwright spricht vor dem
Canadian Club
über die Aussichten des Landes auf eine grüne Wirtschaft.
»Da haben wir’s«, sagte Delorme. »Ureinwohner-Kunstausstellung.«
»Das kommt bei mir nicht«, sagte Cardinal.
»Unter Bilder. Eine Ausstellung in der Macklin Art Gallery. Irgendwie dämlich, eine
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