Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
Affäre anzufangen, wenn man eine Frau hat, die so aussieht, oder?«
    »Er hat sein ganzes Büro mit Fotos von ihr tapeziert.« Cardinal beugte sich zu ihrem Monitor hinüber. »Und weißt du, was er noch in seinem Büro hängen hat? Ureinwohner-Kunst.« Er stand auf, nahm seinen Mantel vom Garderobenständer und zog ihn an. »Ich verspüre plötzlich den Drang, eine Kunstgalerie zu besuchen. Und du?«
    »Kann nicht. Ich muss meine Geldautomaten-Wache organisieren. Guck nicht so.« Sie nahm den Original-Chouinard-Tonfall an. »Die Bürger dieser Stadt liegen nicht nachts wach, weil sie vor Übergriffen von russischen Mafiosi Angst haben. Sie haben Angst davor, dass jemand sie beraubt, wenn sie Geld aus einem Automaten ziehen.«
     
    Wie sich zeigte, war Jane Macklin viel jünger, als Cardinal erwartet hatte. Und sie hatte wenig mit seiner – zugegebenermaßen vagen – Vorstellung von einer Galeriebesitzerin gemein. Sie war höchstens dreißig Jahre alt und erinnerte eher an eine Frau, die in einem gehobenen Friseursalon Haare schneidet. Ihr eigenes, tiefschwarz gefärbtes Haar war zu einer Pagenfrisur gestylt, die wie mit dem Laser geschnitten schien. Die Kunst der Ureinwohner sei, so erzählte sie, bereits einige Monate zuvor abgehängt worden.
    »Das war, glaube ich, meine erfolgreichste Ausstellung überhaupt«, sagte sie. »Habe praktisch alles verkauft. Wir hatten Künstler aus ganz Nord-Ontario. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einige interessante Werke zeigen. Sie müssen mir nur ein paar Tage vorher Bescheid geben.«
    Cardinal stellte sich vor. »Wir versuchen, jemanden zu finden – eine junge Frau. Wir kennen ihren Namen nicht, aber sie könnte eine Ihrer Künstlerinnen bei dieser Ausstellung gewesen sein.«
    »Und ich war mir, als Sie zur Tür hereinkamen, ganz sicher, dass Sie ein Kunstliebhaber sind.«
    »Nein, meine Frau …« Fast hätte er im Präsens gesprochen. »Meine Tochter arbeitet in New York als Künstlerin.«
    »New York. Wow. Schwieriges Pflaster. Sie sagten, Sie versuchten, eine junge Frau zu finden?«
    »Ungefähr neunzehn oder zwanzig Jahre alt.«
    »Wir hatten ein paar junge Künstler in der Ausstellung. Sie entwickeln die traditionelle Formensprache in interessante Richtungen weiter. Aber zwanzig Jahre – ich glaube nicht, dass wir eine so junge Künstlerin dabeihatten. Vermutlich jemand aus der Gegend?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Es war eine Frau aus dem Nipissing-Reservat dabei, aber ich glaube, die war mindestens Ende zwanzig. Sie hat zwei Minuten nach der Eröffnung ein großformatiges Bild verkauft.«
    »Ach tatsächlich?« Cardinal spekulierte drauflos. »Nicht zufällig an Laura Carnwright?«
    Miss Macklin sah ihn mit einem seltsamen Blick an. »Sie kennen Laura?«
     
    Cardinal fuhr an den Wohngebieten vorbei auf der Main, passierte die Abzweigung zur St. Joe’s – einer ehemaligen katholischen Mädchenschule und inzwischen Altenheim für pensionierte Nonnen – sowie das Lagerhaus der Fur Harvesters. Auf dem Parkplatz drehten die Autos ihre Runden und suchten nach einem Platz, während andere auf dem Seitenstreifen der Straße standen. Am Seiteneingang unterhielten sich drei Männer, lachten und rauchten. Er bog links ab und fuhr an dem Schild mit der Aufschrift NIPISSING FIRST NATION vorbei.
    Sandra Kish wohnte in einem winzigen weißen Bungalow mit einem einsamen Bäumchen im Vorgarten, das in Gefahr schien, sich zu Tode zu frieren. In der Einfahrt glänzte ein blauer Chevy Echo. Cardinal parkte dahinter und registrierte die Winterreifen sowie die unbeschädigten Rücklichter.
    Ms. Kish mochte durchaus Ende zwanzig sein, wie Ms. Macklin gemeint hatte, doch das war fast unmöglich zu sagen. Sie war auf eine Weise dick, dass die Haut geglättet und die Gesichtszüge abgeflacht waren. Sie hätte ebenso gut achtundzwanzig wie vierzig Jahre alt sein können.
    Cardinal hatte sie bei ihrer Arbeit an einem Gemälde unterbrochen, und sie war über seinen Anblick keineswegs erfreut. Er stellte sich ihr vor und erklärte ihr, dass er wegen eines schweren Verbrechens ermittelte.
    Ms. Kish zeigte keinerlei Interesse. »Aha, Verbrechen. Ich lese schon seit Jahren keine Zeitung mehr.« Sie trug farbbespritzte Jeans und ein riesiges, ursprünglich gelbes T-Shirt, das jetzt mit vielen Farben, vor allem Rot, verfleckt war. Ein Stirnband legte die teigige Haut über den Augenbrauen in Falten. »Ich kann es mir einfach nicht leisten, all diese negative Energie in mich aufzusaugen. Das

Weitere Kostenlose Bücher