Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
Diese Leute haben keinen Schimmer von unseren Werten. Er brauchte nur die entsprechenden Funktionäre zu schmieren, und schon bekam er es auf dem Silbertablett serviert.«
    »Die kamen mir gar nicht wie Gangstertypen vor. Klangen irgendwie nicht danach, jedenfalls nicht für mich. Wenigstens nicht die Frau.«
    Papa stellte sein Glas ab und stützte sich auf die Lehne seines Sessels. »Und es gab keine Zeugen, richtig? Niemand hat dich mit ihnen gesehen? Niemand hat dich in dem Haus gesehen?«
    »Sag ich doch, du warst doch selbst da, du hast das Haus doch gefunden.«
    Lügen kamen Jack leicht über die Lippen. Nach seiner Erinnerung schon immer. Papa allerdings log er nur ungern an. »Da draußen an dieser verdammten Landzunge ist kein Schwein, das einen sehen könnte.«
    »Du hast recht.« Papas eindringliche blaue Augen, die in ihn hineinzusehen schienen und in deren Iris sich das Feuer spiegelte.
    »Woher wusstest du überhaupt, dass es da draußen diese Hütte gibt? Und dass sie zu verkaufen ist und so?«
    »Das wusste ich nicht, jedenfalls nicht, bis wir es ausgekundschaftet haben. Glücklicher Zufall, könnte man sagen. Allerdings ist das Glück immer denen hold, die das Terrain sondieren. Erzähl mir den Rest.«
    Also erzählte ihm Jack, wie er als Nächstes in den Regenmantel schlüpfte, den er mitgebracht hatte. Den Reißverschluss hochzog und zur Axt griff. Dann zum Häutemesser. Das Geräusch eines eingeschlagenen Fensters, seinen Schrecken und seine Panik erwähnte er nicht. Ein Zeuge, der ihm entwischt war? Er hätte sich diesem Mann, der ihm so viel beigebracht, ihm so viel gegeben hatte, gerne anvertraut. Doch eine Stimme sagte ihm, dass er es nicht konnte. Papa wusste bereits in allen Einzelheiten von den Köpfen – das alles hatten sie bis ins letzte Detail gemeinsam geplant: von der Axt über die Beutel bis zu diesem Dock. Und nun bestand Papa darauf, dass er es ihm trotzdem schilderte. Also tat er es, und irgendwie, indem er einfach nur davon sprach, nahm es innerlich auch etwas den Druck raus.
    »Toll gemacht«, sagte Papa. »Angst und Schrecken, Jack. Wir haben Angst und Verwirrung gestiftet – und du hast das durchgezogen. Fehlerlos. Absolut fehlerlos. Und die Frau – Irena Bastov – war ’n Hingucker.«
    »Ja? Findest du?«
    »Hand aufs Herz, Jack, wir können unter uns doch über so was reden.«
    »Ehrlich gesagt, machen mich diese slawischen Frauen nicht so an. Aber, sicher, man könnte schon sagen, dass sie gut aussah.«
    »Und nachdem du Bastov erschossen hattest – was ging da in Bezug auf diese Frau in dir vor? Du weißt, du hast ein Problem mit der Lust – wir haben darüber gesprochen. Du hast dich nicht sexuell an sie rangemacht?«
    »Hab nicht im Traum daran gedacht. Ich hab gerade einen Mann erschossen, und als Nächste ist sie dran – ist mir nicht mal in den Sinn gekommen.«
    »Nicht in den Sinn gekommen? Oder ist es dir in den Sinn gekommen, aber du hast dich beherrscht und es nicht getan? Das ist nicht dasselbe, Jack. Denk gut nach, bevor du antwortest.«
    Jack holte tief Luft und atmete durch die Nase aus. Er trank seinen Brandy aus und merkte, wie das Zimmer ein wenig schwankte. »Na schön«, sagte er schließlich. »Du hast recht. Wie immer. Ich hätte gerne mit ihr rumgemacht, das geb ich zu. Aber ich hab daran gedacht, was wir besprochen hatten, und hab beschlossen, bei der Sache zu bleiben.«
    Papa beugte sich vor und drückte Jack den Arm. »Auf dich ist eben Verlass. Ich weiß, das ist dir nicht leichtgefallen.«
    Jack zuckte die Achseln.
    »Disziplin«, sagte Papa und lehnte sich zurück. »Gott, wie ich das bewundere. Und wenn ich nur daran denke, wie sich alle in dir getäuscht haben. Das werde ich nie begreifen.«
    Jack auch nicht. Die Schulen, die er verlassen musste, sein jämmerlich gescheiterter Versuch, Polizist zu werden, bis ihn schließlich sogar die Army – eine ganze Institution von Schwachköpfen und Spinnern – abgelehnt hatte. Und dann diese Beurteilungen in der Jugendstrafanstalt. Die sollte er eigentlich nicht zu Gesicht bekommen, aber eines Tages hatte er doch einen Blick darauf geworfen, als die Psychologin einmal kurz abgelenkt war: geringe Impulssteuerung, Persönlichkeitsstörung und all so ’n Scheiß. An dem Tag hatte er zum ersten Mal versucht, sich das Leben zu nehmen. Seit er Papa begegnet war, hatte er nie wieder an Selbstmord gedacht. Nicht ein einziges Mal.
    Papa stand auf, und sie sagten sich gute Nacht. Papa

Weitere Kostenlose Bücher