Eisnacht
seinen Kopf erwischt«, knurrte Burton.
»Mr Hawkins stand noch unter Alkoholeinfluss.« Hoot stand vor dem Vorhang, der den Untersuchungstisch in der Notaufnahme des städtischen Krankenhauses abschirmte. Durch den gelben Stoff hindurch konnten sie Cal Hawkins stöhnen hören. »Sein Blutalkoholgehalt lag deutlich über der Promillegrenze.«
»Dann hat er mich angelogen«, versuchte sich Burton zu verteidigen. »Ich habe ihn gefragt, ob er was getrunken hat, und er sagte…«
Begley schnitt ihm das Wort ab. »Ich glaube, Sie hören nur das, was Sie hören wollen.« Burton sah ihn finster an.
»Seine Knöchel werden sich nur durch einen komplizierten chirurgischen Eingriff reparieren lassen«, sagte Hoot. »Hier schaffen sie das nicht. Bei diesem Wetter könnte es Tage dauern, bis er in ein Krankenhaus mit einer Abteilung für orthopädische Chirurgie verlegt werden kann. Bis dahin wird er leiden müssen.«
»Hören Sie«, sagte Burton wütend. »Ich kann nichts dafür, dass der Kerl ein Säufer ist.«
»Er hätte diese Straße auch stocknüchtern nicht hinauffahren können«, brüllte Begley ihn an. »Ihretwegen hat die ganze verdammte Gegend keinen Strom mehr. Sie können von Glück sagen, dass das Krankenhaus ein Notstromaggregat hat, sonst säßen Sie hier in der Kälte und im Dunklen und würden mit all den Glassplittern im Gesicht aussehen wie ein Freak.«
Hawkins' Laster war gegen einen der vier Stützpfeiler des Überlandmastes geprallt. Unter gewöhnlichen Umständen hätte der Strommast den Aufprall wahrscheinlich überstanden. Aber unter dem Gewicht von Eis und Schnee war er oberlastig und eingeknickt, wobei er Dutzende von uralten Bäumen und ein ganzes Netz an Stromleitungen mitgerissen hatte. Vor allem aber war er quer über die Passstraße gestürzt und hatte damit den Weg auf den Berg versperrt.
Dutch Burton hatte sich von seinen Gefühlen zu einer Unbesonnenheit verleiten lassen. Ein inakzeptables Verhalten für jeden Mann, aber unverzeihlich für einen Polizisten. Seine von Eifersucht getriebene Entschlossenheit, den Berg noch heute zu erstürmen, war ebenso irrational wie gefährlich und hatte mehrere Opfer gefordert: Hawkins blieb wahrscheinlich bis an sein Lebensende verkrüppelt; der Streulaster war während eines der schlimmsten Schneestürme der letzten Jahrzehnte nicht mehr zu gebrauchen; und der Stromausfall hatte mehrere umliegende Countys lahmgelegt.
All das war eine Katastrophe.
Aber am meisten ärgerte Begley, dass Burton ihm mit seiner Idiotie jede Möglichkeit verbaut hatte, Tierney zu erwischen. Er konnte keinen weiteren Versuch unternehmen, auf den Berg zu gelangen, bevor die Straße geräumt war, was Wochen dauern konnte, oder bis sich das Wetter so weit beruhigt hatte, dass ihn ein Hubschrauber auf den Gipfel bringen konnte. So oder so hatten sie wertvolle Zeit vergeudet. Und Zeitverschwendung war für Begley nicht nur ein ausgesprochenes Ärgernis; für ihn war sie eine Sünde.
Sein einziger Trost war, dass er nicht als Einziger ein Opfer der Situation war; Ben Tierney konnte auch nirgendwohin.
»Verzeihung? Chief?« Harris, der junge Polizist, der sie vorhin in der Lodge überrascht hatte, streckte den Kopf durch die Stoffabtrennung.
»Was ist denn?«
»Ich bin gerade angefunkt worden. Mr und Mrs Gunn sind in der Zentrale.«
»Scheiße«, zischte Burton. »Die haben mir gerade noch gefehlt. Wer auch immer in der Zentrale ist, soll ihnen ausrichten, dass ich im Krankenhaus bin, dass sie nach Hause fahren sollen und dass ich so bald wie möglich zu ihnen komme.«
»Das hat er schon versucht«, antwortete Harris. »Das hat sie nicht beeindruckt. Weil sie nämlich nicht mit Ihnen sprechen wollen. Sondern…« Er nickte zu Begley hin. »Sie wollen wissen, ob es stimmt, dass Tierney Blue ist.«
Begley sah rot. Es gelang ihm mit Mühe, seine Stimme ruhig zu halten, aber sie bebte vor Zorn. »Sie machen hoffentlich Witze.«
»Nein, Sir.«
Begley ging auf den jungen Polizisten zu. »Woher haben sie das? Wer hat ihnen erzählt, dass wir uns für Tierney interessieren? Wenn Sie das waren, Officer Harris, dann steche ich Ihnen die Polizeimarke durch den Sack und schweiße sie fest.«
»Ich war's nicht, Sir. Ehrenwort. Es war Gus Elmer. Der alte Mann aus dem Motel.«
»Wir haben ihm eingeschärft, mit niemandem über unsere Ermittlungen zu sprechen.«
»Ich glaube nicht, dass er es absichtlich gemacht hat«, nahm Harris ihn in Schutz. »Er hat nicht direkt mit den Gunns
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