Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
»Linda macht die Käsesandwiches immer mit getoastetem Brot.«
    »Das wird jeder verstehen.«
    »Süßsaure Gurken oder Salzgurken?«
    »Halb-halb.«
    »Fritos oder Kartoffelchips?«
    »Halb-halb.«
    »Ich brauche noch fünf Minuten.«
    Sie ließ sie allein. Wes wandte sich wieder William zu und tätschelte seine Manteltasche. »Was bin ich dir schuldig?«
    »Ich setze es auf deine Rechnung.«
    »Aber ohne Bezeichnung.«
    »Als wäre ich so unvorsichtig. Also, du hast gesagt, Dutch bräuchte noch was für sein Gesicht?«
    Wes erzählte ihm von den Schnitten, und William gab ihm eine Tube mit desinfizierender Salbe, ein Werbegeschenk der Pharmafirma. »Das sollte verhindern, dass sie sich infizieren. Wenn das nicht hilft, kann ich ihm auch was Stärkeres geben.«
    Wes las die Aufschrift. »Eines Tages wird man dich noch dafür verknacken, dass du ohne Rezept verschreibungspflichtige Medikamente verteilst.«
    »Ach, das glaube ich nicht. Wer sollte mich denn verraten?«, fragte William scheinheilig. Wes lachte. »Wahrscheinlich hast du Recht.« William schob ihn aus dem Lager. Während sie durch den halbdunklen Laden gingen, schilderte ihm Wes, was sich am Morgen alles ereignet hatte. »Es ist ein Wunder, dass die beiden nicht zerquetscht wurden. Wir mussten die Bahre an einem Seil runterlassen. Dutch band Hawkins darauf fest. Ich habe noch nie einen erwachsenen Mann so schreien hören wie Hawkins, als wir ihn hochzogen. Dem armen Schwein geht's gar nicht gut.
    Rein körperlich ist Dutch okay, aber er flippt fast aus, weil Lilly immer noch mit Tierney da oben ist. Und dann sind da die FBI-Typen. Arschgeigen im Trenchcoat. Als hätte Dutch nicht schon genug Probleme, muss er sich auch noch mit ihnen und mit Millicents Eltern rumschlagen.«
    »Gibt's was Neues bei den Ermittlungen?«
    »Das kann ich euch erzählen.« Marilee drehte sich um. Die beiden waren an der Kaffeetheke angekommen, wo sie gerade die Sandwiches einwickelte. Sie nickte zu dem batteriebetriebenen Radio hin, das auf den Lokalsender eingestellt war. »Eben wurde gemeldet, dass das FBI Ben Tierney als Blue identifiziert hätte.«
    Tierney war so kraftlos wie noch nie in seinem Leben.
    Ihm war schwindlig, teils vor Hunger, teils wegen seiner Gehirnerschütterung. Seine Verletzungen peinigten ihn ununterbrochen mit scharfen Stichen oder dumpf pochenden Schmerzen. Er hatte die Zähne so fest gegen die Kälte zusammengebissen, dass er den Druck bis in die Zahnwurzeln spürte.
    Gegen keine dieser Widrigkeiten konnte er etwas unternehmen. Um zu überleben musste er sich ganz und gar auf seine Willenskraft verlassen.
    Leider konnte er mit seiner Willenskraft nichts gegen den Schneefall ausrichten. Der Schnee ließ die Grenze zwischen Erde und Himmel verschwimmen. Er verschluckte alle Orientierungspunkte. Tierney war in einer grenzenlosen weißen Welt gefangen. Ohne einen Horizont als Bezugspunkt konnte man leicht vom Weg abkommen und sich hoffnungslos verlaufen.
    Trotzdem pflügte er weiter voran und stapfte durch den Schnee, der streckenweise bis über seine Knie reichte. Ehe er den Weg bergab antrat, bog er kurz zum Geräteschuppen ab, um eine Schneeschaufel mitzunehmen, die er dort gesehen hatte. Sie half halbwegs, einen Weg freizuschaufeln, trotzdem schob er sich hauptsächlich mit dem Körper durch die Schneewehen. Die Schaufel diente vor allem als Stock und als Stütze, wenn ihn das Schwindelgefühl zu übermannen drohte.
    Auch unter extremen Umständen legt man nur ungern alte Angewohnheiten ab. Aus purem Eigensinn oder vielleicht Dummheit nahm er in dem sicheren Wissen, dass er weiter unten wieder auf die Straße stoßen musste, eine Abkürzung, um eine Serpentine abzuschneiden und auf diese Weise mehrere hundert Meter einzusparen. Doch im Wald lauerten Gefahren, die er nicht sehen konnte. Er stolperte über Steine, umgestürzte Bäume und Baumstümpfe, die sich unter dem tiefen Schnee versteckten. Die Wurzeln verwandelten sich in Fußangeln, die ihn ins Straucheln und schließlich zu Fall brachten.
    Wenn er sich einen Knöchel oder das Bein brach, in einen Spalt trat, aus dem er nicht mehr freikam, oder sich in dieser nahtlos weißen Welt verirrte, bedeutete das den sicheren Tod. Aber weil er keinesfalls stehen bleiben und darüber nachdenken wollte, welche Gefahren und Risiken ihn erwarteten, weil er sonst seinen Weg bestimmt nicht fortsetzen, sondern umkehren und zurückgehen würde, zwang er sich, ganz konzentriert einen Schritt vor den anderen zu

Weitere Kostenlose Bücher