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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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nicht die Hand gegen meine Mutter erhoben. Das wäre undenkbar gewesen.«
    Sie schwieg und holte kurz Luft. »Dutch kam wieder zu sich. Sofort begann er, sich weinend zu entschuldigen und seine Reaktion zu rechtfertigen. Er schob alles darauf, dass er in der Arbeit so unter Druck stand und dass er Amys Tod nicht überwunden hatte. Ich hätte ihm entgegnen können, dass ich ebenfalls in der Arbeit unter Druck stand und dass ich den Tod genauso schmerzhaft empfand wie er. Aber mir war klar, dass jeder Widerspruch sinnlos wäre. Wir waren weit über jeden Streit hinaus. In diesem Moment war ich auch über jede Vergebung hinaus.
    Ohne ein weiteres Wort richtete ich mich auf, ging aus dem Haus und mietete mich für die nächste Nacht in einem Hotel ein. Am folgenden Tag rief ich bei einem Anwalt an und reichte die Scheidung ein. Es gab für mich kein Zurück mehr.«
    »Wie schwer hat er dich verletzt?«
    »Ich hatte ein paar blaue Flecken, aber nichts gebrochen.«
    »Hast du Anzeige erstattet?«
    »Mein Anwalt drängte mich dazu, aber ich wollte nicht. Ich wollte nur noch aus dieser Ehe raus, Tierney. Dutch versank in seiner Verzweiflung, als hätte ihm jemand einen Amboss an den Knöchel gebunden. Ich wollte mich nicht von ihm hinabziehen lassen. Durch eine. Verhandlung wegen Körperverletzung hätte ich die Trennung verzögert. Kannst du das verstehen?«
    »Ja. Ich bin anderer Meinung. Er hätte ins Gefängnis gehört. Aber ich kann trotzdem verstehen, warum du dich dagegen entschieden hast.«
    »Ich erzählte meinen Kollegen, ich hätte mich in dem Hotel eingeschlossen, weil ich die Grippe hätte. Dort blieb ich, bis die blauen Flecken und Schwellungen abgeklungen waren. Als ich das Hotel verließ, war das ein symbolträchtiger Abschied. Von diesem Augenblick an begann mein neues Leben ohne Dutch Burton.«
    »Nicht ganz ohne.«
    Es war eine halblaut gemurmelte Bemerkung. Sie war nicht sicher, ob sie für ihre Ohren bestimmt war. Jedenfalls reagierte sie nicht darauf.
    Nach kurzem Schweigen sagte er: »Es tut mir leid, dass du das erleben musstest.«
    »Mir tut es auch leid, aber vor allem für Dutch. Ich habe mich davon erholt. Dutch wird das nie tun. Meine Wunden sind verheilt. Seine haben unauslöschliche Narben auf seiner Seele hinterlassen. Er wird sein schlechtes Gewissen nie wieder los.«
    »Erwarte nicht, dass ich mit diesem Drecksack Mitleid habe. Ehrlich gesagt würde ich ihm das, was er dir angetan hat, am liebsten zehnfach heimzahlen.«
    »Bitte tu es nicht. Nicht dass ich es dir wirklich zutraue.«
    »Von wegen, ich würde die erstbeste Gelegenheit nutzen.«
    »Bitte, Tierney. Versprich mir, dass du es nicht tust.« Nach kurzem Nachdenken sagte er leise: »Okay, ich werde es nicht tun. Außerdem bin ich ab übermorgen sowieso nicht in der Position, irgendwen herauszufordern, oder?« Sie ließ das unkommentiert. »Noch etwas.«
    »Was denn?«
    »Erzähl es niemandem.«
    »Warum sollte ich ihn schützen?«
    »Nicht ihn, sondern mich. Du darfst es mir zuliebe niemandem erzählen. Bitte.«
    »Na gut.«
    »Ehrenwort?«
    »Du hast mich gebeten, es niemandem zu erzählen, Lilly. Ich werde mich daran halten.« Sie glaubte ihm. »Danke.«
    »Keine Ursache.« Ein paar Sekunden verstrichen, dann sagte er: »Und jetzt schlaf.«
    Sie kuschelte sich zurecht und zog die Decke bis ans Kinn. Doch ihre Augen wollten nicht zugehen. Sie schaute zu, wie das Feuer an einem Scheit nagte, bis ein verkohltes Stück abbröckelte und in die Asche fiel. Sie starrte weiter darauf. Nach einiger Zeit sprang die Hitze über und das Holzstück begann heiß zu glühen, bis es dunkelrot verglomm; dann fing es plötzlich noch einmal Feuer und löste sich in Flammen auf.
    Sie drehte sich um und sah Tierney ins Gesicht.
    Seine Augen waren offen und sahen sie an.
    Sie flüsterte: »Ich will nicht schlafen.«
    Scott drückte aus Gewohnheit die Klingel, ehe ihm einfiel, dass der Strom ausgefallen war. Daraufhin klopfte er mehrmals fest an, bis er Schritte kommen hörte. Die Tür wurde aufgezogen. »Hallo, Miss Ritt.«
    »Scott«, rief Marilee aus, augenscheinlich überrascht, ihn hier zu sehen. »Habe ich eine Nachhilfestunde vergessen?«
    »Ich wollte Mr Ritt sprechen.«
    Sie sah über die Schulter in die Küche, wo Scott ihren Bruder an dem mit Kerzen beleuchteten Abendessentisch sitzen sehen konnte. »Wir sind gerade mit Essen fertig.«
    »Ich kann später noch mal kommen.«
    »Nein, nein, komm nur rein.« Sie trat zur Seite und winkte ihn

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