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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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als Footballspieler anhören musste, und verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Tatsächlich hatte Wes nur die traurige, hässliche Wahrheit ausgesprochen. Er wusste es. Trotzdem wollte er sie nicht hören.
    »Dutch«, sagte Wes bedächtig, »wir sind hier nicht auf dem Spielplatz. Nicht mal auf dem Sportplatz. In unserer kleinen Stadt geht ein Irrer um, ein Psychopath, der unsere Frauen verschwinden lässt. Fünf bis jetzt. Gott allein weiß, was er mit ihnen anstellt. Die Leute haben Angst, sie sind aufgebracht und fragen sich, wie viele noch verschwinden müssen, bevor der Mann gefasst wird.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, ich habe nicht gesehen, dass du dich über diese Sache halb so sehr ereifert hättest wie darüber, dass Lilly an einem verschneiten Abend in einer netten, gemütlichen Berghütte festsitzt. Jeder versteht, dass du dir Gedanken um sie machst. Okay. Deine Sorgen sind berechtigt. Aber rück verflucht noch mal die Dinge in die richtige Perspektive.«
    »Halt du mir keine Vorträge, Mr Gemeinderatsvorsitzender.« Dutchs leise Stimme verriet nicht, wie sein Herz hämmerte. »Du taugst kaum als Tugendprediger, Wes.« Um seinen Worten Nachdruck zu geben, ergänzte er eindringlich: »Vor allem wenn es um das Wohlergehen von Frauen geht.«

Kapitel 11
    Du hast Asthma?«
    »Chronisches. Kein allergisches Asthma.« Wohl wissend, dass es nichts brachte, fuhr Lilly mit der Hand über die Innenverkleidung der leeren Handtasche. Der kleine Beutel mit den Medikamenten war nicht darin. Ängstlich kämmte sie mit den Fingern ihr Haar und drückte dann die Hand auf Mund und Kinn. »Wo ist es nur?«
    »Du hast aber keinen Asthmaanfall.«
    »Weil ich vorbeuge. Mit meinem Inhalator und mit Pillen.«
    »Ohne die…«
    »Könnte ich einen Anfall bekommen. Was furchtbar wäre, weil ich meinen Bronchiendilatator nicht dabeihabe.«
    »Bronchien…«
    »Diktator, Dilatator«, wiederholte sie ungeduldig. »Ein Spray, das ich während einer Attacke einsetzen kann.«
    »Ich habe schon gesehen, wie Leute damit inhaliert haben.«
    »Ohne das Mittel bekomme ich keine Luft.« Sie stand auf und begann im Kreis zu gehen. »Wo ist bloß dieser Beutel geblieben? Er ist ungefähr so groß.« Sie hielt ihre Handflächen fünfzehn Zentimeter auseinander. »Aus grüner Seide und mit Kristallperlen besetzt. Ich habe ihn letzte Weihnachten von einer Kollegin geschenkt bekommen. Ihr war aufgefallen, dass mein alter abgewetzt aussah.«
    »Vielleicht hast du ihn liegen…«
    Noch bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte, schüttelte sie den Kopf und fiel ihm ins Wort. »Ich habe ihn immer in der Handtasche, Tierney. Immer. Heute Nachmittag war er jedenfalls noch darin.«
    »Bist du sicher?«
    »Absolut. Kalte Luft kann einen Anfall auslösen, darum habe ich kurz inhaliert, bevor ich aus der Hütte ging.« Von Sekunde zu Sekunde aufgeregter rang sie die Hände. »Heute Nachmittag war er noch in meiner Handtasche, aber jetzt ist er nicht mehr drin. Wo habe ich ihn nur gelassen?«
    »Beruhige dich.«
    Sie fuhr auf dem Absatz herum; es machte sie rasend, dass er nicht verstand, warum sie in Panik geriet. Er wusste nicht, wie es war, um jeden Atemzug kämpfen und fürchten zu müssen, dass sie bald nicht mehr dazu in der Lage sein könnte. »Sag mir nicht, ich soll mich beruhigen. Du weißt nicht…«
    »Stimmt.« Er packte sie an den Schultern und rüttelte sie sanft. »Ich weiß praktisch nichts über Asthma, außer dass es schlimmer wird, wenn du hysterisch wirst. Du steigerst dich in etwas hinein. Also beruhige dich.«
    Auch wenn sie sich über seinen strengen Tonfall ärgerte, hatte er natürlich Recht. Sie nickte und wand sich aus seinem Griff. »Schon gut. Ich bin ganz ruhig.«
    »Gehen wir alles der Reihe nach durch. Du hast den Inhalator verwendet, bevor du die Hütte verlassen hast, richtig?«
    »Bevor ich zum letzten Mal aus der Tür gegangen bin. Ich weiß genau, dass ich ihn danach in meine Handtasche gesteckt habe. Weil ich mich noch daran erinnere, wie ich mit den Handschuhen an dem Griff herumgefummelt habe. Aber selbst wenn ich ihn versehentlich vergessen hätte, müsste er in diesem Raum sein. Wir haben die Hütte von oben bis unten durchsucht. Wenn er hier wäre, hätte ihn einer von uns sehen müssen.«
    »Du erinnerst dich doch, dass deine Handtasche auf den Boden geschleudert wurde, als du auf den Baum geprallt bist, nicht wahr?«
    Nein, bis zu diesem Augenblick war ihr das entfallen gewesen.

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