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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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»Natürlich.« Sie stöhnte. »Da muss der Beutel rausgefallen sein. Er lag bestimmt ganz oben, weil ich ihn erst zum Schluss in die Tasche gesteckt hatte.«
    »Dann ist das die einzig logische Erklärung. Hast du nachgesehen, ob der Medizinbeutel noch in der Tasche war, als du sie aus dem Fußraum gezogen hast?«
    »Nein. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen zu kontrollieren, ob noch alles darin war. Ich war mit den Gedanken ganz woanders.«
    »Wann würdest du unter normalen Umständen das nächste Mal deine Medikamente nehmen?«
    »Vor dem Schlafengehen. Es sei denn, ich hätte einen Anfall. Dann würde ich sofort inhalieren.«
    Tierney sann darüber nach. »Dann müssen wir um jeden Preis einen Anfall vermeiden. Wann kommt es zu einer Attacke? Außer in kalter Luft? Und wie hast du es übrigens geschafft, mich praktisch den ganzen Weg bergauf zu schleppen, ohne dabei einen Anfall zu bekommen?«
    »Meine Medikamente verhindern das ziemlich zuverlässig. Wenn ich vernünftig bin und sie regelmäßig nehme, kann ich praktisch alles tun. Wildwasser-Kajakfahren zum Beispiel.« Sie lächelte erschöpft.
    »Aber der Marsch hier herauf hätte sogar mich um ein Haar überfordert, Lilly. Wie hast du das geschafft?«
    »Vielleicht habe ich doch übermenschliche Kräfte entwickelt.« Um ihn in ihren Privatscherz einzuweihen, erklärte sie: »Als du auf der Straße lagst und ich hin und her rannte, um die Decke und so weiter zu holen, habe ich mich gewundert, warum ich nicht in den Adrenalinrausch geriet, den man in so einer Krisensituation angeblich empfindet.«
    »Vielleicht hattest du ihn ja und hast es nur nicht gemerkt.«
    »Anscheinend. Jedenfalls werden die Anfälle mit Sicherheit auch durch Überanstrengung hervorgerufen. Außerdem durch Reizstoffe wie Staub, Schimmel und Luftverschmutzung. All das droht mir hier oben eher nicht, vor allem im Winter. Trotzdem bleibt noch der Stress«, fuhr sie fort. »Der ebenfalls einen Anfall auslösen kann.
    Nach Amys Tod hatte ich öfter Anfälle, weil ich so viel weinen musste. Im Lauf der Zeit wurden sie natürlich seltener, aber ich sollte es wirklich vermeiden, mir zu viele Sorgen zu machen.« Sie schenkte ihm ein, wie sie hoffte, tapferes Lächeln. »Ich schaffe das schon. Wahrscheinlich ist es nicht weiter schlimm, wenn ich ein paar Mal meine Medizin nicht nehme.«
    Er sah sie nachdenklich an und schaute dann zur Tür. »Ich gehe noch mal zum Wagen und hole sie.«
    »Nein!« Sie packte seinen Ärmel und krallte sich darin fest. Keine Medikamente zur Hand zu haben, war weniger schlimm, als keine Medikamente zur Hand zu haben und allein zu sein, wenn sie einen Anfall bekam.
    Kurz nach Amys Tod hatte sie mitten in der Nacht einen Anfall bekommen. Ihr eigener pfeifender Atem hatte sie geweckt, gleich darauf begann sie den ekligsten Schleim hochzuhusten. Bis sie endlich das lebensrettende Medikament inhaliert hatte, waren ihre Luftwege fast zugeschwollen.
    Der Vorfall hatte ihr besondere Angst eingejagt, weil sie allein gewesen war. Dutch war in jener Nacht nicht nach Hause gekommen. Er hatte auch nicht angerufen, um ihr mitzuteilen, dass es spät würde. Nachdem er alle fadenscheinigen Vorwände verbraucht hatte, fand er es einfacher, gar nicht erst anzurufen, als anzurufen und ihr etwas vorzulügen.
    Irgendwann hatte sie es aufgegeben, auf ihn zu warten, und war ins Bett gegangen. Hinterher, entsann sie sich, hatte sie gedacht, dass es ihm ganz recht geschehen wäre, wenn sie ihr Inhalationsspray nicht gefunden hätte oder wenn es ihre Luftwege nicht entspannt und er beim Heimkommen entdeckt hätte , dass sie jämmerlich erstickt war, während er mit einer anderen Frau im Bett lag.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich immer noch an Tierneys Ärmel festkrallte, sie ließ los. »Du schaffst es auf keinen Fall bis zum Auto und zurück, ohne zusammenzubrechen«, sagte sie. »Du würdest dich da draußen verirren oder im Schnee ohnmächtig werden, und ich hätte trotzdem keine Medikamente. Alles wäre nur noch schlimmer statt besser.«
    Er atmete tief ein und langsam wieder aus. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich gehe erst, wenn es gar nicht anders geht.«
    »Wenn es so weit kommt, dann geh auf keinen Fall, ohne mir Bescheid zu sagen.« Sie schämte sich der Gefühle, die sie plötzlich überkamen, aber es war lebenswichtig, dass er das begriff. »Ich hatte schon immer Asthma, aber ein schwerer Anfall ist und bleibt ein grauenhaftes Erlebnis. Es macht mir nichts aus,

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