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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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es. Aber gib dir verflucht noch mal Mühe.« Er holte heimlich Luft und hielt sie an.
    Hawkins ging vorsichtig in die Kurve. Der Laster kam ohne auszubrechen um die Biegung. Dutch atmete aus. »Und jetzt gib Gas.«
    »Sag mir nicht, wie ich meine Arbeit tun muss«, fuhr Hawkins ihn an. »Scheiße, die Straße ist dunkler als 'ne Arschritze.«
    Die Hauptverbindungsstraße, die innerhalb von Cleary die Main Street bildete, war zu beiden Enden der Stadt bis zum Stadtrand beleuchtet. Abseits dieser ausgetretenen Wege waren die Straßen dunkel, der Kontrast war dramatisch. Die Scheinwerfer des Lasters erhellten nichts als den schwindelerregenden Tanz der vom Wind aufgewirbelten Eis und Schneekristalle.
    Hawkins bekam es mit der Angst. Er nahm den Fuß vom Gaspedal.
    »Nein!« Weil Dutch diese Straße schon tausendmal gefahren war, wusste er, dass man genau hier Gas geben musste, um die erste Steigung zu schaffen. »Gib Saft!«
    »Ich kann nix erkennen!«, kreischte Hawkins. Er legte den Leerlauf ein und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Trotz der eisigen Temperaturen stand auf seiner Stirn dichter Schweiß, der genauso scharf roch wie der schwarzgebrannte Whiskey, der ihn hervorgerufen hatte.
    »Leg den Gang ein.« Dutch presste jedes Wort einzeln zwischen den Zähnen hervor.
    »Gleich. Ich muss erst mal meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Dieses rumwirbelnde Zeugs macht mich schwummrig.«
    »Nicht gleich. Sondern jetzt.«
    Hawkins sah ihn finster an. »Willst du verrecken oder was?«
    »Nein, aber du offenbar. Weil ich dich umbringe, wenn dieser Laster in fünf Sekunden nicht wieder angefahren ist.«
    »Ich glaube nicht, dass ein Polizeichef einen unbescholtenen Bürger so bedrohen sollte.«
    »Eins.«
    »Was ist da oben los?«, quäkte Wes' Stimme aus dem Funkgerät.
    »Zwei.« Dutch drückte die Sprechtaste und sagte ins Mikrofon: »Cal überlegt noch, wie er die Steigung am besten nehmen soll.« Er schaltete das Mikrofon wieder aus. »Drei.«
    »Dutch, bist du dir sicher?« Wes klang besorgt. »Vielleicht sollten wir das noch einmal überdenken.«
    »Vier.«
    »Bull kann den Bronco kaum noch auf der Straße halten, obwohl wir auf Sand fahren. Wir können so gut wie nichts hinter der Motorhaube erkennen und…«
    »Fünf.« Dutch zog die Pistole aus dem Holster.
    »Scheiße!« Cal legte den ersten Gang ein.
    »Schon okay, Wes«, sagte Dutch selbst für seine Ohren bemerkenswert ruhig in das Funkgerät. »Los geht's.«
    Cal ließ die Kupplung kommen und drückte aufs Gas. Der Laster rollte ein paar Meter vorwärts.
    »Du musst auf dem Gas bleiben, sonst schaffen wir es nie«, sagte Dutch.
    »Vergiss nicht, dass wir schwer beladen sind.«
    »Also musst du umso mehr Gas geben.«
    Hawkins nickte und schaltete in den Zweiten. Aber sobald er beschleunigte, drehten die Hinterräder durch. »Das schafft er nicht.«
    »Lass nicht locker.«
    »Das schafft…«
    »Versuch es weiter! Gib mehr Gas!«
    Hawkins murmelte etwas von Jesus, Maria und Josef und befolgte dann Dutchs Anweisungen. Die Räder drehten durch, fanden plötzlich Halt, und der Wagen machte einen Satz nach vorn.
    »Siehst du?« Dutch klang erleichterter, als er Cal gegenüber zugeben wollte.
    »Schon, aber gleich müssen wir um die erste Haarnadelkurve.«
    »Du schaffst das.«
    »Oder ich fahre uns beide geradewegs in die Hölle, weil ich keinen Furz erkennen kann. Ich hab keine Lust, mit diesem Baby Arsch über Kopf ins Tal zu purzeln.«
    Dutch hörte gar nicht auf ihn. Unter seinen Kleidern schwitzte er noch mehr als Hawkins. Er konzentrierte sich auf das Gleißen der Scheinwerfer unterhalb der Motorhaube. Gerechterweise musste er zugeben, dass es äußerst gefährlich war, einen so schweren Truck auf einen steilen Berg zu manövrieren, wenn die Sicht nur wenige Meter betrug. Schon jetzt hatte der heftige Niederschlag den Sand zugedeckt, den Cal eben gestreut hatte. Ihm fiel auf, dass Bull den Bronco nur bis zur Abzweigung gefahren hatte. Die zwei Insassen - sein bester Freund und einer seiner Untergebenen - unterhielten sich wahrscheinlich über seine verblendete Dummheit. Er durfte sich von ihrer Meinung nicht beirren lassen.
    Knurrend und stöhnend mühte sich der Truck die zwanzigprozentige Steigung hinauf. Sie kamen nur langsam voran, aber Dutch sagte sich immer wieder, dass er mit jedem Zentimeter, den sie zurücklegten, Lilly näher kam. Und Ben Tierney.
    Warum musste sie von allen Männern dieser Erde ausgerechnet mit ihm eingeschlossen

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