Eisprinzessin
unbeholfener grober Klotz gewesen, als er Charlotte kennenlernte. Wusste nichts als das, was ihm seine Kumpel über Weiber erzählt hatten: dass sie hart rangenommen werden wollten. Er war sich nicht sicher, ob das stimmte, aber er hatte nichts anderes drauf, nichts anderes gehört und gesehen. Er war unsicher, ob das für Charlotte auch zutraf, sie war so anders als die Mädchen im Dorf, die es hinter dem Autoscooter oder am Baggersee machten. Er konnte es gar nicht glauben, als es so weit war. Aber es war so, als ob ihr genau diese Art Sex gefiele, bei dem die Mädchen als Matratze benutzt oder so behandelt wurden wie die, die man dafür bezahlte. Anfangs gefiel ihm das, und er war wie berauscht. Er tat etwas, was ihr gefiel. Er konnte ihr etwas geben, wonach sie suchte, und sie schien zufrieden damit. Je härter er es machte, desto besser gefiel es ihr. Manchmal wies sie ihn zurück, dann machte er es anders, versuchte auf seine täppische Art, zärtlich zu sein, sie zu küssen, zu lecken, sie zu berühren. Dann stieß sie ihn zurück. Das mochte sie nicht. Wahrscheinlich wegen seiner Unbeholfenheit. Er hätte es mit ihr lernen müssen. Aber später, als er sich andere Filme ansah, darüber las und auch mal mit seiner frisch verheirateten Cousine Elli darüber sprach, gab er sich mehr Mühe und stellte sich auch nicht mehr so ungeschickt an. Trotzdem kam es ihm so vor, als ob Charlotte diese zärtliche Version von ihm nicht wollte. Es war nicht das, was sie brauchte. Sie brauchte das Alte, das Schmutzige. Aber in ihm wuchsen Wünsche. Sie sollte ihn berühren, wenn sie sich liebten, ihn, nicht seinen Schwanz. Er hätte es herausschreien mögen. Während er hart in sie eindrang, stellte er sich vor, sie streiche ihm mit den Fingern über den Rücken oder fahre mit der Zunge seine Wirbelsäule entlang und ihre Haarspitzen strichen dabei über seine bloße Haut. Er trainierte im Studio, saß an der Beinpresse, machte sich hart und stellte sich dabei genau die Zärtlichkeiten vor, von denen wahrscheinlich auch die Mädchen in der Klosterschule träumten. Er machte sich zum Narren und hasste sich selbst dafür.
Die Diele hatte er durchsucht, die Küche auch. Er musste noch einmal von vorn anfangen. Immer wieder hatte er das Gefühl, dass er Charlotte nicht erreichte. Er mühte sich ab, aber sie ließ ihn einfach nicht an sich heran. Er riss eine der unteren Küchenschubladen aus dem Schrank und leerte Servietten und Küchentücher auf den Esstisch. Als er den ganzen Packen voller Wut auf den Boden fegte, klackerte der Schlüssel gegen den Heizkörper. Endlich! Er hob ihn auf, steckte ihn ein, schenkte sich einen Grappa ein, trank das Glas in einem Zug leer und verließ die Wohnung. Dann jagte er den roten A3 mit quietschenden Reifen und heulendem Motor über den Ring.
* * *
»Wo steckt Brunner eigentlich?«, fragte Meißner.
»Der hat sich die ganze Nacht mit diesem Verrückten um die Ohren geschlagen und ist dann in der Früh zum Schlafen nach Hause gegangen«, antwortete Holler.
»Und Eberl?«, fragte Marlu.
»Den hat er nach Hause geschickt, nachdem er sich wieder beruhigt hatte und ausgenüchtert war.«
»Ach, der war auch noch betrunken? Das hättest du aber auch gleich sagen können«, sagte Meißner.
»Müsste alles in Brunners Vernehmungsprotokoll stehen.«
»Und wo ist das Ding?«
»Wahrscheinlich auf seinem Schreibtisch. Soll ich es dir holen?«
»Lass nur, ich geh schon selbst.« Meißner schälte sich aus seinem Sessel.
»Ihr seid heute beide so … so friedlich«, bemerkte Holler. »Das ganze Zimmer strahlt so eine Aura aus von … na, wie soll ich es sagen …?«
»Blödsinn. Warst du mal wieder mit Heidi im Yogakurs und hast dein Herz-Chakra bearbeitet? Vielleicht siehst du deshalb überall Strahlen.« Meißner war schon fast zur Tür hinaus.
»Das würde dir übrigens auch nicht schaden. Das Yoga, meine ich!«, rief Holler ihm hinterher.
»Von Yoga bekomme ich Kreuzschmerzen«, sagte Meißner. »Und wenn ich mich entspannen soll, krieg ich Beklemmungen.«
Er fand das ausgedruckte und von Eberl unterschriebene Vernehmungsprotokoll auf Brunners vorbildlich aufgeräumtem Schreibtisch.
»05. 12. 2012. Bei der Polizeiinspektion Ingolstadt eingehender Anruf von Erwin Helmer, Unternehmer aus Wettstetten. In seinem Haus befinde sich ein Eindringling, der der Aufforderung, das Haus zu verlassen, nicht nachkomme. Als die Streife mit Polizeiwachtmeisterin Burgstaller und Polizeiwachtmeister Biller
Weitere Kostenlose Bücher