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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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vorhersehen, und es geht mich auch nichts an.«
    »Außerdem musst du ja erst einmal den Täter finden, damit er überhaupt vor Gericht gestellt werden kann. Ist es der Ehemann, der heut Nachmittag die Leiche identifizieren wird?«
    »Also, bei mir hat er jedenfalls nicht gestanden.«
    »Nun gut, dann mach ich jetzt mal weiter mit meiner Arbeit. Gibt’s eigentlich schon eine Spur von der anderen, der Vermissten?«
    »Vielleicht«, sagte Meißner.
    »Das ist mal eine Aussage, Meißner.« Kern verabschiedete sich. »Und nicht vergessen, morgen den Fernseher einschalten, gell? Schon wegen der hübschen Redakteurin.«
    Meißner war auf die Autobahn gefahren und überquerte nach der Auffahrt Ingolstadt-Nord die Donau. Im Winter war der Blick hinüber zur Ingolstädter Altstadt frei. Die roten Dächer des Neuen Schlosses und seine weiß getünchten Mauern strahlten wie frisch lackiert herüber.
    Wie alt war Elisabeth Thalmeier wohl jetzt? Achtzig, neunzig? War sie überhaupt gesund und ansprechbar? Erinnerte sie sich überhaupt noch an die Familie Helmer? Er sollte irgendwas mitbringen, ein paar Blümchen wenigstens.
    Die Hopfenstangen lagen wie Schiffsrümpfe auf den Feldern in der Holledau, standen wie Gerippe in der hügeligen Landschaft und zeichneten grafische Muster in den blassen Himmel. In Höhe der Raststätte Fürholzen tauchte die Skyline von München am Horizont auf. Der Fernsehturm, das BMW -Hochhaus mit seinen vier Zylindern und dahinter die Berge, weiß glitzernd unter einem Wolkenloch. In Fröttmaning, kurz vor der Allianz-Arena, bog Meißner auf die Osttangente. Es war wieder bedeckt, und an jeder Ausfahrt ging es hinein in die Krake München, die ihre Arme weit ins Umland ausstreckte. Dank Navi fand er das Heim in Feldkirchen auf Anhieb, kaufte noch schnell einen fertig gebundenen Strauß und betrat das moderne, luftige Gebäude, das nicht so aussah, wie man sich ein Pflegeheim vorstellte.
    Um Frau Thalmeier müsse er sich keine Sorgen machen, sagte die Pflegedienstleiterin. Sie sei zwar nicht mehr so gut zu Fuß, habe aber noch all ihre Sinne beisammen. Ob er vielleicht für eine halbe Stunde mit ihr in den Garten hinausgehen wolle? Die Pflegekräfte hätten sie schon warm eingepackt.
    Meißner nahm Elisabeth Thalmeier, eine zarte, weißhaarige Dame mit einem von Altersflecken gesprenkelten Gesicht, am Lift in Empfang. Sie saß im Rollstuhl. Er schlug den Jackenkragen hoch und schob sie durch die automatisch öffnende Glastür ins Freie. Der Garten war ein geschlossener Innenhof zwischen den Gebäuden, an einer Seite durch eine dichte Hecke begrenzt. Außer zwei, drei alten Bäumen war alles vor nicht allzu langer Zeit von Gärtnerhand angelegt worden. Bäume mit niedrigem Wuchs, Sträucher, Rosenbögen, in denen bunte Windspiele hingen, Sitzbänke, die sich harmonisch einpassten, ein Stück Wiese mit einem kleinen Stall in der Mitte.
    »Da wohnen im Sommer unsere Hasen«, sagte Frau Thalmeier. »Letzten Sommer waren es vier, zwei weiße, ein schwarzer und ein schwarz-weißer. Aber am liebsten mag ich die braunen. Vielleicht bekommen wir ja im Frühjahr wieder welche. Aber zuerst müssen wir den Winter überstehen.«
    »Ein schöner Garten«, sagte Meißner.
    »Der ist extra für unsere Demenzkranken so angelegt worden, damit sie sich nicht verlaufen. Die wollen immer weglaufen, nach Hause. Da vorn gibt es auch einen kleinen Teich mit Stockenten. Hier kann man sich nicht verlaufen.«
    Meißner erfuhr, dass die alte Dame zweiundachtzig war und nach einer Hüftoperation und einem Oberschenkelhalsbruch vor zwei Jahren nicht mehr laufen konnte.
    »Dann sind Sie aber nicht mit fünfundsechzig in Rente gegangen«, stellte Meißner fest.
    »Ich wollte schon, aber dann bin ich doch noch vier Jahre in meiner letzten Stellung geblieben.«
    »Bei den Helmers in Ingolstadt.«
    »In Wettstetten, ja. Haben die Sie zu mir geschickt? Ist etwas passiert?«
    »Wann haben Sie denn zuletzt jemanden aus der Familie gesehen?«
    »Charlotte war im Sommer hier, da waren die Hasen noch da. Sie besucht mich jedes Jahr zwei oder drei Mal.«
    »Und Herr Helmer?«
    »Ihn und Andi hab ich schon Jahre nicht mehr gesehen. Die zwei haben ja mit der Firma immer so viel zu tun.«
    »Und warum sind Sie nicht mit fünfundsechzig in Rente gegangen? 1995 war das, oder?«
    »Ja, genau. Ich wollte zum Jahresende aufhören und zu meiner Schwester nach Ismaning ziehen.« Sie zögerte. »Sind Sie wegen der Frau Helmer da?«
    Meißner legte das

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